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Ein »Gesamtschüler« durch und durch

Klaus Kusenberg aus Werther geht morgen nach über 30 Jahren als Lehrer in den Ruhestand

Von Dunja Henkenjohann
Werther/Bielefeld (WB). Neun Jahre war er Schüler des Bielefelder Max-Planck-Gymnasiums. Doch im Herzen war Klaus Kusenberg immer Gesamtschüler. Zumindest seit seinem Studium. Morgen wird der Wertheraner und langjährige Leiter der Martin-Niemöller-Gesamtschule in Schildesche in den Ruhestand verabschiedet.

»Für mich stand schon in der Untertertia fest, dass ich Studienrat in den Fächern Mathe und Sport werde«, sagt Klaus Kusenberg. Dabei ist der Wertheraner, der in Posen geboren wurde und 1949 mit seinen Eltern nach Halle kam, alles andere als »vorbelastet«. »Mein Vater war Stadtdirektor in Werther«, erzählt er.
Nach der Bundeswehr nahm Klaus Kusenberg 1965 an der Universität in Münster sein Studium für Mathematik, Sport und Pädagogik auf. Nur ein Jahr später besichtigt er in Berlin die ersten Gesamtschulen Deutschlands und ist - bis heute - begeistert.
So bleibt das Referendariat an seiner alten Schule nur ein »gymnasiales Zwischenspiel«, denn bereits 1971 wird Klaus Kusenberg in das Gründungskommitee der Martin-Niemöller-Gesamtschule berufen, nur ein Jahr später wird er zum Organisationsleiter (stellvertretenden Schulleiter) gewählt. Seit 1995 leitet Kusenberg Bielefelds größte Gesamtschule mit derzeit 1700 Schülern (Höchststand 1900) und 140 Lehrern.
Angefangen mit 240 Schülern in der Nähe der Stiftskirche, hat Kusenberg die Schule an drei Standorte begleitet, schließlich auch die Errichtung des Neubaus an der Apfelstraße in Schildesche. »Ja, diese Schule trägt meine Handschrift«, muss der bescheidene Schulleiter zugeben. Morgen will er keine Abschiedsfeier, keinen »großen Bahnhof« mit Schülern. Die Entlassungsurkunde des Oberbürgermeisters und des Schuldezernenten hat er bereits bekommen, ebenso von den Abiturienten den »Oscar für das Lebenswerk«. Für seine Kollegen gibt der langjährige Vorsitzende des TV Werther heute Abend eine kleine Party. »Das muss reichen.«
Nach 34 Jahren ist aus Sicht von Kusenberg auch das Ende der Berufszeit erreicht. »Ich gehe gerne in Altersteilzeit«, sagt er und gibt ebenso gerne zu, dass ihm der Abschied schwer fällt. »Die Schule ist mein zweites Zuhause«, erklärte er. »Sie ist wie ein Haus, das man selbst aufgebaut hat.«
Doch der 61-Jährige freut sich auf die Zeit, die er für seine Familie haben wird. »Meine Frau hat immer gesagt, ich bin mit der Schule verheiratet«, schmunzelt der Vater von zwei erwachsenen Töchtern. »Das wird jetzt anders«, betont der Studienrat und beginnt, begeistert von seinen drei Enkelkindern - darunter auch Zwillinge - zu erzählen. Mit seiner Frau Ursula will er für den Nachwuchs (zwei und drei Jahre), der in Jöllenbeck und und Detmold zu Hause ist, in die Rolle des Babysitters schlüpfen. Kusenberg: »In fünf Jahren sind die Enkel in der Schule, dann wollen sie nichts mehr von uns wissen.«
Klaus Kusenberg ist Gesamtschullehrer durch und durch. Auch wenn er in leitender Position nie die volle Stundenzahl unterrichten konnte: »Ich mochte die Schüler nicht missen«, sagt er und betont, dass der Unterricht immer eine Art Erholung vom Organisations- und Telefonstress gewesen sei. »Wenn ich im Unterricht war, hatte ich immer das Gefühl, dass ich etwas geschafft habe.«
Auch mit Blick auf die Pensionierung ist Klaus Kusenberg nach wie vor der Überzeugung, mit der Arbeit an einer Gesamtschule das einzig Richtige getan zu haben: »Die schulische Entwicklung eines Kindes im Laufe seiner Laufbahn individuell zu fördern, das halte ich für ideal«, sagt er. Hier beeindruckten ihn vor allem die skandinavischen Länder. Dort werde auch der Erfolg der Lehrer daran gemessen, inwieweit es ihnen gelungen ist, die Schüler zu fördern. Kusenberg: »Dort können sich die Deutschen noch jede Menge abgucken.« Er muss es nicht mehr.

Artikel vom 05.07.2005