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Von Andrea Pistorius

Paderborner
Perspektiven

Canossa sorgt für neuen Ärger


Dass es im Gefüge des Ausstellungsprojekts »Canossa« erneut knirscht, verwundert niemanden, der die Vorbereitung der zweiten Mittelalter-Schau in Paderborn von Anfang an beobachtet hat. Die fachlichen Voraussetzungen sind bei den drei Partnern so unterschiedlich, dass die Bedenken des Kulturausschusses, hier könne ein Ungleichgewicht entstehen, verständlich sind.
Kaiserpfalz- und Diözesanmuseum werden von zwei kompetenten und einflussreichen Wissenschaftlern geleitet, die zudem über profunde Erfahrung in der Ausrichtung von Ausstellungen verfügen. Der Archäologe Dr. Matthias Wemhoff und der Kunsthistoriker Dr. Christoph Stiegemann haben gleich nach der erfolgreichen Karolingerausstellung 1999 ein zweites Mittelalter-Thema gesucht und sich darauf vorbereitet. Diesen Vorsprung hat ihr Partner in der Geschäftsführung der »Canossa«-Ausstellungsgesellschaft, Kulturdezernent Wolfgang Walter, eingeräumt; nach Ansicht des Kulturausschusses hat er allerdings zu wenig Energie darauf verwendet, diesen Vorsprung aufzuholen.
Mit Walter ist die »Canossa«-Geschäftsführung von seiten der Stadt hochrangig besetzt worden, doch es fehlt mit Blick auf Wemhoff und Stiegemann die fachlich ebenbürtige Kompetenz. Der Dezernent ist zudem mit seiner Amtsführung mehr als ausgelastet: Zuständig für Kultur, Schule, Jugend, Soziales und Sport hat er sich zur Zeit mit den zum Teil heftig umstrittenen Großprojekten Westfälische Kammerspiele, Zentralstadion und Rolandsbad auseinanderzusetzen.
Im August 2004 wurde deshalb der Leiter des Museums für Stadtgeschichte, Markus Runte, damit beauftragt, den städtischen Teil des Ausstellungsprojekts zu betreuen. Im Februar 2005 kamen die beiden Paderborner Universitätsprofessoren Frank Göttmann und Dietmar Klenke als Experten in Neuer und Neuester Geschichte hinzu.
Damit war der Kulturausschuss noch nicht restlos beruhigt. Runte ist Kunsthistoriker und nicht Geschichtswissenschaftler und außerdem nur mit halber Stelle für »Canossa« tätig (die andere Hälfte seiner Arbeitszeit widmet er dem Stadtmuseum). Die Historiker Göttmann und Klenke haben ihre Arbeit an einem Konzept für den städtischen Ausstellungsteil im Vertrauen auf mündliche Absprachen begonnen, erst vor zwei Wochen erhielten sie einen Vertrag.
Um Bedenken zu zerstreuen, üben sich die drei »Canossa«-Geschäftsführer Stiegemann, Walter und Wemhoff unisono in Optimismus, dass die Ausstellung ein großartiges und viel beachtetes Ereignis sein werde. Und ebenso einmütig versichern sie, dass es weder Unstimmigkeiten zwischen den drei Ausstellungspartnern, noch Ungleichgewichte gebe.
Der Kulturausschuss verharrt dennoch in seiner kritischen Beobachterrolle. Noch zu frisch ist die Erinnerung daran, dass Anfang dieses Jahres auf Drängen der Ausstellungsgesellschaft die begleitende Schau moderner Kunstwerke mit inhaltlichem Bezug zu »Canossa« verschoben wurde.
Der Geschäftsführung ist im eigenen Interesse zu wünschen, dass sie jetzt so transparent wie möglich an dem Projekt weiter arbeitet, um alle verbliebenen Zweifel - ob berechtigt oder nicht - auszuräumen. Finanziell, räumlich und qualitativ darf zwischen den drei Ausstellungsteilen kein Unterschied gemacht werden. Das heißt auch, dass für Einrichtungen wie Ausstellungsladen, Café, Garderobe und Museumspädagogik ein anderer Platz als der Abdinghof gefunden werden sollte.

Artikel vom 02.07.2005