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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Uwe Nöll


Darauf haben wir uns in unserer Verfassung festgelegt: Der Bundeskanzler hat das Recht, die Vertrauensfrage zu stellen. Sollte es sich herausstellen, dass es ihm an der regierungsfähigen Mehrheit fehlt, ist der Weg frei für Rücktritt und Auflösung des Bundestages. Wie schwierig und verwirrend so ein Verfahren sein kann, erleben wir gerade hautnah mit.
Ich bin froh, dass es bei Gott eindeutiger zugeht. Auch er nimmt sich das Recht, uns die Vertrauensfrage zu stellen. Er möchte keinem Menschen seine »Regierung« aufzwingen, sondern erwartet von jedem Einzelnen, ihm bewusst dass Vertrauen auszusprechen. Dabei geht es um eine »echte« Vertrauensfrage. Gott möchte unser Ja, akzeptiert aber auch unser Nein. Das ist sicher: Wenn wir ihm das Vertrauen entziehen, zieht er sich aus unserem Leben zurück. Sicher ist aber auch, dass er nicht aufhört, weiter um unser Vertrauen zu werben. Wer ihn vertrauensvoll in seinen Alltag einbezieht, wird erleben, dass Gott keine leeren Versprechungen macht. Er will und kann Chaos ordnen, Beziehungen heilen und in schwierigen Situ-ationen berechtigte Hoffnungen wecken. Christus ermutigt seine Zuhörer im Blick auf unsichere Zeiten (Johannesevangelium Kapitel 14, Vers 1): »Erschreckt nicht, habt keine Angst! Vertraut auf Gott und vertraut auch auf mich!«
Dieses Vertrauen zeigt sich zum einen darin, dass wir bereit sind, unser Denken und Handeln an biblischen Maßstäben auszurichten. Es macht Sinn, die Bibel als »göttliche Betriebsanleitung für das menschliche Leben« zu verstehen und anzuwenden. Vertrauen zu Gott will darüber hinaus besonders auch in Situationen und Umständen eingeübt werden, die nicht vernünftig und erklärbar erscheinen. In Amerika trägt ein Andachtsbuch für Gymnasiasten den schönen Titel: »Gott liebt mich, aber warum bekomme ich mein Schließfach nicht auf?«
Diese Szene kann man sich leicht schmunzelnd gut vorstellen. Doch genau darum geht es oft in unserem Leben - um diese kleinen Dinge und dann natürlich auch die großen Dinge, die uns fragen lassen: »Kann ich Gott wirklich vertrauen?«
Es hilft, sich in solchen Situationen bewusst zu machen, mit wem wir es zu tun haben - mit einem Gott, der absolut souverän ist, unbegrenzt in seiner Weisheit und vollkommen in seiner Liebe.
Jemand hat diese drei Tatsachen einmal so zusammen gefasst: In seiner Liebe möchte Gott stets das Beste für uns. In seiner Weisheit weiß er immer, was das Beste für uns ist und in seiner Souveränität hat er die Macht, das auch herbeizuführen.
Die göttliche Vertrauensfrage will jeden Tag neu im persönlichen Alltag beantwortet werden - nicht ohne Folgen.

Artikel vom 02.07.2005