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»Das ist ein großer Skandal«

Krankenhaus-Aus: Patienten und Mitarbeiter vergießen Tränen

Von Dirk Bodderas
und Wolfgang Wotke
Gütersloh/Rheda (WB). Enttäuschung, Empörung, Wut und Tränen: Die Zwangsschließung des Evangelischen Krankenhauses gestern in Rheda ließ die Gefühle der betroffenen Menschen in Aufruhr geraten. »Heute Abend muss hier alles leer sein. Morgen kommt der Insolvenzverwalter«, ruft Karin Linnemann-May, Pflegekoordinatorin, und ergänzt: »Achtung, gleich geht's hier rund. Wir müssen 50 Patienten in andere Krankenhäuser verlegen.«

Dann kommen die ersten kranken Menschen aus ihren Zimmern. Wer nicht laufen kann, wird im Rollstuhl geschoben, andere Patienten gehen mit ihren Betten auf Reisen. Alles geschieht diszipliniert. 15 Rettungs- und Krankentransportwagen stehen bereit, sie werden von der Rettungsleitstelle Gütersloh koordiniert.
Eine Schwester schiebt die 75-jährige Elisabeth Köper, vor wenigen Tagen operiert, mit ihrem Bett durch den engen Flur. Plötzlich steht die alte Dame aufrecht, schimpft und kann die Welt nicht mehr verstehen: »Was hier passiert, ist ein großer Skandal. So etwas kann man mit Menschen doch nicht machen.«
Uwe Brandenburg, der leitende Pfleger des Krankenhauses, ist völlig verzweifelt und weint hemmungslos: »Mehr als 20 Jahre habe ich hier gearbeitet, und sogar meine drei Kinder sind hier geboren. Ich weiß nicht, was jetzt wird«, seufzt der 47-Jährige und versucht im gleichem Atemzug Ordnung in das Durcheinander zu bringen: »Die Kranken können nichts dafür. Wir müssen sie ordentlich und ohne Hektik verlegen.« Und das klappt wie am Schnürchen.
Schwester Gaby von der Station 2 ist völlig von der Rolle und kämpft in einer kleinen Ver-schnaufpause mit den Tränen: »Was wird jetzt aus uns?«, fragt sie, »wie soll das weitergehen? Meine Kollegin ist alleinerziehende Mutter. Die kann zum Sozialamt gehen.« Auch Bürgermeister Bernd Jostkleigrewe hat mächtig Wut im Bauch: »Ich bin tief enttäuscht über das Verhalten der Kostenträger. Wir versichern unsere Solidarität mit den 80 Mitarbeitern. Irgendwie werden wir helfen.«
Dr. Bernd Ruhnke, Leitender Oberarzt am Städtischen Klinikum in Gütersloh, sollte in diesen Tagen die neue Abteilung für plastische und Handchirurgie im Krankenhaus Rheda leiten. Nachdem er von der Schließung hörte, war er sofort vor Ort: »Ich bin sicher, wir hätten das Haus wieder auf Vordermann gebracht. Wir hatten Pläne, bis ins Detail. Die Situation ist ärgerlich. Schade, dass wir keine Chance bekommen haben.«

Artikel vom 01.07.2005