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Viërlsches Platt trifft
direkt in die Seele

Pastor Alois Hermwille pflegt »use Ursproke«

Verl (köh). Für Pastor Alois Hermwille (79) ist das Viërlsche Platt wie Musik - eine sprachliche Melodie, die die Seele direkt anspricht. Leider werde dieser Schatz zu wenig gepflegt, bedauert er und kämpft gemeinsam mit dem Heimatverein für die Pflege des heimatlichen Sprachgutes.

Mit Erfolg: Der erst vor einem halben Jahr ins Leben gerufene plattdeutsche Sprachkursus im Heimathaus erfreut sich großer Beliebtheit. Dienstag kamen die Kursusteilnehmer zum letzten Abend vor der Sommerpause zusammen und machten deutlich: Sie freuen sich schon auf die Fortsetzung.
»Es ist ein Glücksfall für uns, dass wir Pastor Hermwille haben«, betonte Winfried Schulte vom Heimatverein. Der plattbegeisterte Geistliche erleichtere diesen Teil der Arbeit in der Heimatpflege und treibe ihn maßgeblich voran. Etwa 20 bis 25 Teilnehmer nehmen alle 14 Tage in Hermwilles Sprachschule Platz, lesen Texte, bemühen sich frei zu sprechen, singen Lieder in der alten Mundart und setzen sich mit den Besonderheiten von Schreib- und Sprechweisen auseinander. Und verbinden das Platt mit handfesten Dingen, die mitunter Erinnerungen wachrufen: Ein selbstgebastelter Drachen nach alter Technik aus Zeitungspapier mit Kartoffelstärke zusammengeklebt oder Blasrohre aus Holunder dienen ebenso als Anschauungsmaterial wie eine Vogelfalle der einst hungernden Landbevölkerung oder eine kleine Plastik, die eine Schnitterin mit Sichel und Grasbüschel zeigt.
Alle sind zur Freude von Alois Hermwille mit Feuereifer bei der Sache. Für ihn eine Bestätigung und Anlass zur Hoffnung: »In Viërlschen Lanne könnt na'n masse Löië Platt vostohn, ower se köiërt't nich mä.« Der Grund dafür sei, dass sich viele schämten und meinten, »Plattdöitsch wör'n minderwertige Sproke«. Das findet der Pastor merkwürdig: »Wenn enner süs en annere Sproke kann - Englisch, Französisch oder Spanisch - dann is he do stolt up. Un fo use uraul'l Häimatsproke wi'm sik schiërm'm?« Nein, das könne doch nicht sein, meint er und fordert eine Kehrtwendung. Denn: »Wenn wi use Ursproke widder so vokuum'm lot't, wät use Sprachkultur en ganze masse iërmer«, mahnt der Pastor. Es gebe sogar Anknüpfungspunkte an Latein und Griechisch. Und das Platt sei mit Holländisch, Schwedisch, Flämisch, Englisch und Dänisch verwandt.
Neben dem noch jungen Plattdeutsch-Sprachkursus erfreuen sich auch die Predigten von Pastor Hermwille großer Beliebtheit, die alle zwei Monate viele Besucher in die Pfarrkirche St. Anna und zur anschließenden Gesprächsrunde ins Heimathaus locken. Besonders stolz ist Winfried Schulte auch auf die plattdeutschen Abende, die seit 13 Jahren im Heimathaus - im Sommer auch auf Bauernhöfen - ein lebendiger Ausdruck der Heimatliebe sind.
»Und bereits seit 20 Jahren trifft sich alle 14 Tage montags der Singkreis, der mehr als 100 plattdeutsche Lieder in seinem Repertoire hat«, freut sich Schulte und hofft mit Alois Hermwille auf mehr Interesse für ein »unschätzbares Sprachgut«, das bereits da sei und doch neu entdeckt werden müsse. Hermwille: »Us is en twedde Sproke - use Platt - in'n Schaut lägt. Man mot'te bloß ätwäs fo douen«, ermuntert er die Verler zur sprachlichen Reise zu den eigenen Wurzeln.

Artikel vom 01.07.2005