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Aufräumen in der
»Geister-Klinik«

Mitarbeiter hängen in der Luft - Bürger empört

Von Wolfgang Wotke
Rheda/Gütersloh (WB). Einen Tag nach der Zwangsräumung des Evangelischen Krankenhauses in Rheda herrscht unter den 80 Mitarbeitern immer noch Wut und bittere Enttäuschung. »Wir hängen völlig in der Luft und werden einfach abgewickelt, von jetzt auf gleich«, schluchzt Uwe Brandenburg, 20 Jahre lang Leiter der Pflegeabteilung. Wenn es nicht noch eine Einigung mit den Krankenkassen gibt, ist er arbeitslos.

Das Pflegepersonal ist gestern Morgen noch einmal erschienen, um letzte Aufräumarbeiten in der »Geister-Klinik« zu verrichten. Schließlich musste am Nachmittag die gesamte Infrastruktur dem Insolvenzverwalter übergeben werden. Die hochmodernen Operationssäle mit Narkosegeräten (Wert rund 13 Millionen Euro), ein fast neues Röntgengerät (280 000 Euro) oder laufende Verbrauchsgüter, wie Nahtmaterial, Einwegspritzen, Verbandszeug, Hauben und Kittel, fließen in die Konkursmasse. »Hier werden heute Millionen versenkt, einfach so«, jammert Uwe Brandenburg, der die gesamte Immobilie inklusiv »Innenleben« auf etwa 25 Millionen Euro schätzt. Der 47-Jährige kann immer noch nicht fassen, was passiert ist. »Viele Kollegen haben ihren lebenswichtigen Job verloren. Manche haben Familien und Häuser gebaut. Was soll aus ihnen jetzt werden?«, fragt OP-Schwester Karin Richards. Familien- oder Zukunftsplanung sei zurzeit nicht mehr möglich. »Auch ich muss den schweren Gang am Montag zum Arbeitsamt antreten«, erklärt die 38-Jährige.
Intensiv-Schwester Gabriele Welle läuft traurig durch die langen, menschenleeren Flure und packt Mengen von Medikamenten in Kartons. Doch insgeheim hat die erfahrene Pflegerin immer noch die Hoffnung auf Rettung. »Jetzt sind unsere Politiker gefordert. Die müssen etwas tun.«
Andere Mitarbeiter hängen die Bilder von den Wänden in den Krankenzimmern ab und nehmen die Genesungs-Blumen aus den Vasen, bevor sie verwelken. Krankenberichte, Papiere und Dokumente werden auf den Stationen geordnet und vervollständigt. »Wir wollen alles ordentlich übergeben«, erklärt Karin Richards und richtet einen letzten Blick in ihr Schwesternzimmer. »Hier haben wir jeden Morgen gesessen und Kaffee getrunken.« Dabei tröstet sie im gleichen Moment eine Kollegin, umarmt die weinende Freundin und spricht ihr etwas Mut zu: »Irgendwie geht es weiter. Mach dir bloß keine großen Sorgen.«
Unterdessen schiebt Uwe Brandenburg riesige Rollwagen voller Operationsbestecke in den Fahrstuhl. Was passiert damit? »Das muss der Insolvenzverwalter entscheiden. Irgendwann wird das alles wohl für nen Appel und nen Ei zu haben sein. Der verscherbelt dann das Zeug.«
Vor dem Evangelischen Krankenhaus stehen Bürger aus Rheda fassungslos vor verschlossenen Türen und wettern im strömenden Regen: »Wie die Krankenkassen mit den Menschen umgehen, ist eine Frechheit. Wir brauchen unsere Klinik und wollen sie zurück.« NRW-Seite

Artikel vom 02.07.2005