02.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Enttäuschung über Ich-AG

Unklarheit über Erfolg der Förderung - Ein Drittel ausgeschieden

Von Wolfgang Braun (Text)
und Harald Iding (Foto)
Kreis Höxter (WB). Die hocheffektiv arbeitende Jobmaschine ist die Ich-AG, die Hartz-Erfindung im Zusammenhang arbeitsmarktpolitischer Reformen der Bundesregierung, wohl doch nicht geworden. Die kritischen Stimmen mehren sich.

Erstaunlicherweise kann die Agentur für Arbeit in Paderborn keine genaue Auskunft darüber geben, wie viele der gefördeten Versuche von Arbeitslosen, sich selbstständig zu machen, bis jetzt von Erfolg gekrönt waren.
Zwar ist bekannt, dass für den Kreis Höxter von Januar 2003, dem Beginn der Förderung, bis Ende April 2005 in 322 Fällen Existenzgründungszuschüsse bewilligt wurden. Ende April erhielten noch 219 Männer und Frauen Ich-AG-Fördergelder, sie waren also noch als Selbstständige tätig. Keine zuverlässigen Aufschlüsselungen gibt es aber darüber, was aus den 103 Personen geworden ist, die diese Zuschüsse nicht mehr in Anspruch nehmen. Denn, dass keine Mittel mehr beantragt wurden, kann bedeuten:
l dass die Selbstständigkeit beendet wurde,
l dass das Geschäft mittlerweile so gut läuft, dass die Einkommensgrenze von 25 000 Euro Brutto jährlich überschritten wurde,
l  oder dass in einen anderen Beruf gewechselt wurde.
Claudia Beverungen (31), Marienmünster, beispielsweise hatte Mittel aus dem Ich-AG-Topf für die Gründung eines Nagel-Studios bewilligt bekommen, und hatte dann nach einem Jahr auf einen neuen Antrag verzichtet: »Von dem Geld kann man gerade mal die Sozialversicherungbeiträge zahlen.« Zudem sei das Beantragungsverfahren sehr aufwendig: »Man muss sich ausziehen bis auf's Hemd.« Jetzt wird Claudia Beverungen ein Nagel-Studio in Beverungen übernehmen.
Für die Agentur für Arbeit ist das strenge Beantragungsverfahren eine Möglichkeit, Missbrauch zu verhindern. »Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen, müssen ein tragfähiges Konzept vorlegen, aus dem hervorgeht, dass die Existenzgründung Aussicht auf Erfolg hat«, so Franz-Josef Albrecht, Sprecher der Arbeitsagentur Paderborn. Das Konzept muss von Fachleuten in der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder bei Banken begutachtet werden.
Von den 103 Personen, die aus der Ich-AG-Förderung im Kreis Höxter ausgeschieden sind, sind etwa 40 Prozent wieder arbeitslos, gibt Albrecht Schätzungen seiner Behörde wieder. Aber etwa 50 Prozent arbeiten - entweder als Arbeitnehmer oder als Selbstständige. »Das ist immerhin ein gewisser Erfolg.«
Tatjana Tisse, die bei der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung des Kreises Höxter für Existenzgründungsberatung zuständig ist, hat in den 133 Existenzgründungsgesprächen in 2005 - bei 88 Ratsuchenden lag Arbeitslosigkeit vor - nur in ganz wenigen Fällen dazu geraten, Ich-AG-Mittel zu beantragen. Im ersten Jahr sind das 600 Euro pro Monat, im zweiten 360 Euro und im dritten 240 Euro): »Damit kann nur eine Firma gegründet werden, die nur einen gewissen Zuverdienst zum Familieneinkommen gewährleistet«, weiß die Fachfrau. In vielen Fällen hält sie das wesentlich höhere halbjährige Überbrückungsgeld für Existenzgründungen für geeigneter.

Artikel vom 02.07.2005