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Von Harald Iding

Höxteraner
Aspekte

»Boxenstopp« für den Ring


Das sind doch Spinner mit verrückten Ideen«, »Die ganze Sache ist abgehoben und hat keine Chance!« - so ähnlich mögen vor hundert Jahren die Kommentare gewesen sein, als die Brüder Wilbur und Orville Wright die ersten Testreihen mit ihrem Gleiter unternahmen. Sie versuchten es immer wieder -Êund schafften das Unmögliche: Mit ihrem Modell »Flyer I« legten sie einen Gleitflug über 100 Meter zurück. Die Wrights prägten damit die Anfänge der Fliegerei. Es war ihr Mut und der Wille, an etwas zu glauben, das Zukunft hatte. Sie setzten auf Visionen -Êund brachen mit jeder Konvention.
Der »Westfalenring« am Stoppelberg, der ist seit der letzten Ratssitzung Vergangenheit. Die »unendliche Geschichte«, wie sie manche Kritiker abschätzend betitelten, hat ein schmerzloses Ende gefunden -Êzumindest, was den »Ring« auf Steinheimer Boden anbetrifft. Das Rennen ist gelaufen, ohne dass es je eine richtige Runde, geschweige denn eine »Qualifizierung für das Wertungsrennen«, gegeben hat.
Als das Vorhaben »Westfalenring« Januar 2001 im WESTFALEN-BLATT zum ersten Mal das »öffentliche Licht der Welt erblickte«, gab es, verständlicher Weise, nicht gerade viele, die sich vorstellen konnten, dass so ein 350-Millionen-Mark-Projekt (»Freizeit-, Motorsport- und Technologiezentrum«) zu realisieren ist -Êund das quasi direkt vor der Haustür.Ê Was seitdem ins Rollen kam, das zeigte diese Zeitung ausführlich auf. Aber führt das nun zu dem Ergebnis: »Außer Spesen nichts gewesen«? Nein, im Gegenteil! So überraschend das für einige vielleicht klingen mag, profitiert haben von der Idee »Westfalenring« (die im Herbst 2000 Andreas Hennig und der inzwischen verstorbene Wolfgang Richter zu Papier gebracht haben) alle Seiten. Die Politiker, die Sachbearbeiter in der Verwaltung, die Befürworter in der Bevölkerung und in der Wirtschaft als auch die Bürgerinitiative »Pro Stoppelberg«. Denn vor fünf Jahren gab es noch keine BI, die sich mit 230 Mitgliedern um den Erhalt des Stoppelberges mit so großer Leidenschaft eingesetzt hat. Manchmal braucht man einfach das Gefühl, etwas verlieren zu können -Êum sich erst über dessen Wert bewusst zu werden und dafür kämpfen zu wollen. Es werden sicher noch viele »Stoppelbergfeste« veranstaltet, die die Menschen in der Region vereint. Allein dieser Aspekt war es wert, über das Projekt »Westfalenring« geredet zu haben -Êdenn mehr ist daraus ja bislang nicht erwachsen.
Der »Vater des Gedankens«, der in und mit der Region »verwurzelte« Andreas Hennig, hat es schon vor knapp fünf Jahren angedeutet, was sich heute immer mehr abzeichnet: Neue Technologien müssen entwickelt, neue Wege schnellstens beschritten werden -Êum sich überhaupt noch dem weltweiten Wettbewerb und Druck stellen zu können.
Dass der Ring in seiner ersten Planung etliche Nummern zu groß ausfiel, ist unbestritten. Aber die Kernidee, die bleibt topaktuell und für Steinheim höchst interessant.
Denn die einstige Möbelstadt wurde in der Vergangenheit oft zur Ader gelassen und gegen ihren Willen um mehr als 1000 Arbeitsplätze ärmer. Jeder Strohhalm ist daher von Bedeutung. Der Rat mit Bürgermeister Joachim Franzke an der Spitze hat am Dienstag seine Souveränität erneut unter Beweis gestellt. Sachlich und ohne Schadenfreude hatte man sich des heiklen Themas angenommen -Êund es im Grundsatz immer fair behandelt.
»Steinheim, das ist doch der Westfalenring und der Stoppelberg« hat es in den letzten Jahren immer wieder geheißen. Und als der Verler Rennsportler Franz Konrad mit seinem teuren Untersatz in Amerika an einer Fahrt über die »Golden Gate«-Brücke teilnahm und der Aufdruck »Westfalenring in Steinheim« von etlichen Fernsehkameras eingefangen wurde, fragten sich nicht nur die Amerikaner: »Wo liegt denn überhaupt dieses Steinheim?«
Heute kennt man die Antwort darauf. Aber sollte dieser Werbeeffekt alles gewesen sein -Êauch in Bezug auf die Ausarbeitungen des weltweit renommierten Planers Tilke? Mitnichten, verloren hat der Ring zwar in der ersten Runde -Êein Technologiepark und ein Fahrsicherheitszentrum (also die abgespeckte Version) bleiben viel versprechend. Das »Aus« in Steinheim kann für die »Ring-Idee« nur als »Boxenstopp« gewertet werden. Welche Stadt die Ziellinie zuerst erreicht, bleibt abzuwarten.
Nur eines darf man nicht: lediglich das »Safety-Car« vorne weg fahren zu lassen. Dann hat man garantiert keine Chance auf einen Sieg.

Artikel vom 02.07.2005