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Schulterschluss noch ein Reißverschluss

Interview mit dem Warburger Krankenhaus-Geschäftsführer Dr. Rolf Brunner-Salten

Warburg (WB). Dr. Rolf Brunner-Salten, Geschäftsführer des Warburger St. Petri-Hospitals, ist jetzt »100 Tage« im Amt. Nach einer gründlichen Analyse der Situation hat er bereits erste Weichenstellungen vorgenommen, um das Warburger Krankenhaus in eine gute Zukunft zu führen. Mit Dr. Rolf Brunner-Salten sprach WESTFALEN-BLATT-Redakteur Ulrich Schlottmann.
Dr. Rolf Brunner-Salten ist seit dem 1. April Geschäftsführer der St. Petri-Hospital gGmbH. Der 57-Jährige soll das defizitär arbeitende Haus aus der Krise heraus in eine gute Zukunft führen. Foto: Ulrich Schlottmann
Sie sind jetzt 100 Tage als Geschäftsführer des St. Petri-Hospitals im Amt. Wie sieht ihre ganz persönliche Bilanz nach dieser Zeit aus? Brunner-Salten: Große Erwartungshaltungen lösen immer eine positive Aufnahme im der Organisation aus. Nach inzwischen drei Betriebsversammlungen, in denen ich mein Prinzip »Information, Kommunikation und Transparenz« hoffentlich glaubhaft vermitteln konnte, wird zwischenzeitlich deutlich, dass Dinge bewegt und erforderliche Maßnahmen auch umgesetzt werden. Das stößt nicht immer, aber immer mehr auf Zustimmung. Der Aufsichtsrat ist inzwischen über den Status des Hospitals informiert und mit wichtigen Maßnahmen, die seiner Zustimmung bedürfen, konfrontiert worden. Ob der von allen gewünschte und auch erforderliche Schulterschluss zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Gesellschaftern erfolgt, wird sich voraussichtlich in der wichtigen, wegweisenden Sitzung am 14. Juli zeigen. Vorab darf ich deutlich machen, dass der Bürgermeister sich außerordentlich hilfreich zeigt und »sein Krankenhaus« unbedingt in eine erfolgreiche Zukunft führen möchte. Das Thema »Zweckverband« sehe ich allerdings mit gemischten Gefühlen, weil dort die Vorstellungen noch zu sehr auf den früheren Regiebetrieb gerichtet sind und die Umstellung in der Verantwortungslage zugunsten des Unternehmens Krankenhaus GmbH noch nicht erfolgt ist. Der Schulterschluss befindet sich nach meiner Erfahrung zunächst noch im Stadium Reißverschluss - der Weg kann aber durchaus das Ziel sein.

Das St. Petri-Hospital arbeitet seit Jahren defizitär. Mit Ihrer Einstellung als Geschäftsführer ist die Erwartung verbunden, das Haus aus den »roten Zahlen« herauszuführen. Wo steht das Warburger Krankenhaus jetzt?Brunner-Salten: Das medizinische Leistungsspektrum ist unverändert mit überdurchschnittlich gut zu beurteilen. Die finanzielle Situation ist nicht bedrohend, erfordert aber strukturelle Veränderungen, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes - wir gehen von drei Jahren aus - zu einer verbesserten Ertragslage beitragen sollen.

Was muss kurz- bis mittelfristig getan werden, um wieder kostendeckend zu arbeiten?
Brunner-Salten: Um dieses Ziel zu erreichen, wurde zunächst ein Strategiezirkel eingerichtet, in dem die leitenden Mitarbeiter die Stärken und Schwächen des Hausse, aber auch die Chancen und Risiken erarbeitet haben. Daraus ist eine so genannte »To-do-Liste« entstanden, in der festgelegt wurde, wer welches Projekt bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich angegangen oder bearbeitet haben muss. Ich selbst bin täglich einmal in der gesamten Liegenschaft unterwegs, um Missstände aufzuspüren und für deren schnelle Beseitigung zu sorgen. Das klingt einfach, ist es aber nicht, da für die unterschiedlichen Belange Personal und Finanzen verfügbar gemacht werden müssen und die Organisation der Abläufe im Krankenhaus möglichst nicht gestört werden darf.

Das St. Petri-Hospital hat ein Imageproblem, weil der jahrelange politische Streit die anerkannt gute medizinische Leistung des Hauses überlagert hat. Was muss geschehen, um das Image zu verbessern? Brunner-Salten: Die Streitkultur der Beteiligten in der Vergangenheit war nicht sehr positiv ausgeprägt. Ich denke und hoffe, dass dieses Thema ausgestanden ist. Die Narben sollten verheilt sein, so dass für »Wunden lecken« kein Anlass mehr ist. Viel wichtiger ist es jetzt, dem Hospital Gelegenheit zu geben, sich als - wenn auch gemeinnützige - Kapitalgesellschaft voll dem Versorgungsauftrag als »Unternehmen Gesundheit« zu widmen. Insbesondere sind die Bürger eingeladen, das Leistungsspektrum anzunehmen und nicht in die Ferne zu schweifen, wo das Gute doch so nahe liegt. Dasselbe gilt für die niedergelassenen Haus- und Fachärzte, die ein gemeinsames Interesse an einer kooperativen medizinischen und insbesondere integrierten Versorgung haben müssen. Ich werde alle Multiplikatoren und Interessierten zu einem gemeinsamen Informationsaustausch einladen. Ein neues Hospital-Info und aktuelle Beiträge aus dem St. Petri-Hospital sollen zudem allen Interessierten zeigen, dass dieses Krankenhaus lebendig und leistungsstark ist - und manchmal auch etwas liebenswert. An Letzterem arbeiten wir verstärkt.

Die Gegebenheiten im Gesundheitswesen drohen sich in den nächsten Jahren weiter zu verschärfen. Reicht es vor diesem Hintergrund aus, für die Zeit ab 2007 wieder eine »schwarze Null« anzustreben, oder müssen die Ziele anders lauten?
Brunner-Salten: Die Konsolidierung eines so viele Jahre vernachlässigten Hauses bedarf dreier Säulen, auf denen es künftig stehen soll: Konsolidierung gleich Kostenreduzierung und Prozessqualität; Kommunikation gleich Freundlichkeit und Servicedenken; Investition gleich Ausstattung und Leistungen dem Wettbewerb anpassen. Dadurch entsteht Zukunftsfähigkeit. Dass der Träger hier Geld in die Hand nehmen muss, ist unstrittig. Die Frage besteht lediglich in der Finanzierungsform und der Finanzierungsabsicherung. Letztlich ist ein langfristig angelegtes und aus den Erlösen zu finanzierendes Innovationspaket die Lösung. Damit wird eine - bis auf eine einmalige Anschubfinanzierung - dauerhafte Zuschussregelung vermieden.

Die Mitarbeiter sind nach Ihrer Aussage bereit, einen schwierigen Weg mitzugehen. Wie weit sind die Verhandlungen über einen Notlagentarifvertrag gediehen und was soll dieser beinhalten?Brunner-Salten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben den ausdrücklichen Willen geäußert, über einen Notlagentarifvertrag temporär die aufgelaufenen Defizite mildern zu können. Die Regelung soll am 1. Juli diesen Jahres rückwirkend in Kraft treten. Sie sollen dann am 31. Dezember 2008 zurückgeführt werden und dann in den »Normaltarif« münden. Ich gehe davon aus, dass wir damit einen wesentlichen Teil zur Gesundung des Hausse und für eine Konsolidierung leisten können. Die erforderlichen Vorarbeiten wurden bereits abgeschlossen.

Nach den derzeitigen Planungen sollen alle medizinischen Abteilungen des Hauses erhalten bleiben, also auch die bedrohte gynäkologische-geburtshilflich Abteilung? Wie soll das konkret erreicht werden? Brunner-Salten: Zunächst lautet die Botschaft: Die gynäkologische-geburtshilfliche Versorgung ist sichergestellt. Die Abteilung verfügte bisher über einen Oberarzt, der befristet tätig ist. Heute habe ich einen weiteren Oberarzt eingestellt, der unbefristet für die entsprechende Kontinuität in der ärztlichen Versorgung einsteht. Welche Zukunftsmodelle künftig denkbar und umsetzbar sind und dabei die bisherige Konstruktion ablösen können, hängt von der Genehmigung des zuständigen Ministeriums und von den Kostenträgern ab. Mit beiden sind wir im Gespräch, um auszuloten, welche Alternativen zur Verfügung stehen und sinnvoll sind.

Das St. Petri-Hospital ist seit einigen Monaten eine gemeinnützige GmbH. Ist dem Geschäftsführer damit die Grundlage für die größere Flexibilität geschaffen worden, die sich auch die Gesellschafter Stadt und Kreis wünschen? Brunner-Salten: Die GmbH ist eine Rechtsform, die unter anderem kurze und effiziente Entscheidungen ermöglichen soll. Der Aufsichtsrat berät und kontrolliert. Wichtig ist, das diese Aufgabentrennung tatsächlich erfolgt und nicht nur ein »Schilderwechsel« vom Regiebetrieb in die GmbH erfolgt. Dadurch würde sich nämlich nichts verändern. Entscheidend sind Satzungen und Geschäftsordnung, die den Handlungsrahmen für den Geschäftsführer eröffnen. Hier muss teilweise noch nachgebessert werden, damit ein brauchbarer Kompetenzkatalog mit den entsprechenden Handlungsfeldern entsteht. Das ist ein Defizit, das zeitlich noch auf 2004 zurückgeht. Unabhängig davon versuche ich, die notwendigen Änderungen im »Schulterschluss« durchzusetzen.

Landauf, landab schließen sich Krankenhäuser zusammen oder suchen sich einen starken Partner. Das St. Petri-Hospital steht nach mehreren »geplatzten Verlobungen« allein auf weiter Flur. Kann das auf Dauer gut gehen?Brunner-Salten: Wer allein steht, sollte auf Alleinstellungsmerkmale zurückgreifen können. Die St. Petri-Hospital GmbH ist - wenn auch von außen versucht wird, einen solchen Eindruck zu vermitteln - nicht allein auf weiter Flur und steht auch nicht einem übermächtigen Gegner gegenüber, der - frisch fusioniert - durch Größe auf sich aufmerksam macht. Wie im Bereich der Wettbewerbsunternehmen kommt es nicht allein auf die Größe an. Wir alle werden bei solchen Fusionen noch erstaunt Veränderungsprozesse im Personalbereich und in der Effizienzmessung erleben, die nicht nur positiv sind. Entscheidend sind die Qualität und die Reaktionszeit bei der medizinischen Versorgung. In Warburg sind wir mit der so genannten Notfallmedizin ganz vorn. Wir haben eine effizient arbeitende Intensivstation, die spätestens im September in Ausstattung und Qualität mit Spitzeneinrichtungen anderer Häuser vergleichbar sein wird. Patienten müssen nicht das Risiko der zeitlichen Verzögerung einer Versorgung erst in Kassel oder Paderborn auf sich nehmen. Zusätzlich verfügt die Klinik über einen Hubschrauberlandeplatz. Es gibt eine Reihe weiterer Merkmale, die die fachspezifisch-medizinische Qualität, die Qualität in der Pflege und auch den Service in den Vordergrund rücken. Insofern gibt es eine Fülle von Alleinstellungsmerkmalen, aber kein »allein dastehen«. Im übrigen haben wir bereits durch die am Haus befindlichen Praxen niedergelassener Ärzte das Feld des »medizinischen Versorgungszentrums« belegt und wollen es weiter ausbauen.

Heißt das also, dass das Warburger St. Petri-Hospital auf Partnerschaften verzichten wird?Brunner-Salten: Kooperation und Partnerschaften sind grundsätzlich interessant und wichtig. Wir müssen uns ja auch dem Thema »integrierte Versorgung« öffnen, die eine Kette von Einrichtungen im Gesundheitsbereich hintereinandergeschaltet verknüpft vorsieht. Dabei verpflichten sich die Vertragspartner der Krankenkassen zu einer qualitätsgesicherten, wirksamen, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Bereits heute ein Ja oder Nein zu einer wie immer auch möglichen Partnerschaft, sei sie strategisch oder operativ, auszusprechen, wäre nicht nur verfrüht, sondern auch hoch spekulativ. Ich bevorzuge es, die Dinge zunächst in Ordnung zu bringen und den Wunsch des Aufsichtsrates, insbesondere den des Bürgermeisters, zu erfüllen, der ein gesundes und zukunftsfähiges Krankenhaus in seiner Stadt sehen möchte und die damit verbundenen Arbeitsplätze dauerhaft absichern will.

Wenn Sie es auf einen einfachen Nenner bringen sollen: Wie lautet in den nächsten Monaten die Parole für das St. Petri-Hospital? Brunner-Salten: Die Entwicklung des St. Petri-Hospitals zum Gesundheitszentrum mit integriertem »medizinischen Versorgungszentrum«.

Artikel vom 02.07.2005