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Als Heuß der
Regent war

Parallelen zum Jahr '52

Von Curd Paetzke
Herford (HK). Was für das Leben im Allgemeinen gilt, trifft für die Schützen im Besonderen zu: Es geht mancher Schuss daneben. Doch manchmal entstehen Probleme auch erst dadurch, dass es - wie am Montag geschehen - einen Volltreffer gibt. Im Jahr 1952 sah sich die Herforder Schützengesellschaft übrigens mit genau der gleichen Lage konfrontiert.

In ihrer Satzung haben es die Schützen exakt geregelt: »Schützenkönig wird derjenige, der bei dem alljährlich stattfindenden Königsschießen, an dem alle Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen, den besten Schuss abgibt.« Das war 2005 Bürgermeister Bruno Wollbrink, 1952 war es Oberbürgermeister Höcker. Der hatte das Schießen, wie es in der Schützenchronik vermerkt ist, »zu Ehren des Landesherren, Herrn Bundespräsident Prof. Heuß« eröffnet - und dabei glatt die Krone des Adlers abgeschossen. Umgehend setzte sich der Herforder Fabrikant Fritz Schwake telefonisch mit Theodor Heuß in Verbindung, der sich geehrt fühlte und die Königswürde annahm, aber den Herforder Oberbürgermeister mit seiner Stellvertretung beauftragte. Heuß lobte die Treffsicherheit des Herrn Oberbürgermeisters und schrieb einige Tage später zurück: »Ich danke für die freundliche Gesinnung.« Höcker selbst wollte seinen Schuss aber nur symbolhaft werten. So übernahm, wie es in der Chronik weiter heißt, »der nächstbeste Schütze, Schützenbruder Otto Hoffmann, der Zepter mit Klaue zu Fall brachte, die Würde des Schützenkönigs und führte mit seiner Königin, Frau Edith Kremeyer geb. Heper, ein gut Regiment.« Wer noch weiter in die Geschichte der Herforder Schützen eintaucht, der erfährt, dass 120 Jahre zuvor der Herr Landrat Philipp von Borries beim Anschießen im Namen von König Friedrich Wilhelm III. den Adler ebenfalls gleich seiner auf dem Haupte thronenden Krone beraubte.
Für Frank Rabe, den Geschäftsführer des Westfälischen Schützenbundes (1100 Vereine mit 110 000 Schützen im Bezirk Arnsberg/Münster/Detmold) ist der Vorfall in Herford gar nicht einzigartig: »Sogar in der Schützenhochburg Neuss hat es ein Jahr keine Majestäten gegeben, weil sich kein König fand.« Um Unstimmigkeiten wegen des »besten Schusses« zu vermeiden, wird in vielen Vereinen so lange auf den Adler »gefeuert«, bis der Vogel eben runterfällt. Wem der entscheidende Treffer gelingt, der ist König.

Artikel vom 29.06.2005