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Herzinfarkt-Risiko: Schock für Wiegmann

Neue WESTFALEN-BLATT-Serie: Sportler im Wartestand - Jens Wiegmann (ISC) krank und verletzt

Von Ingo Notz
Espelkamp/Isenstedt (WB). Da saß er nun. Keine Lust, mit der Sonne auf dem Fan-Trikot des TuS N-Lübbecke um die Wette zu strahlen. Dabei hätte Jens Wiegmann derzeit mehr Zeit denn je, sich auch um's Hobby Handball zu kümmern. Unfreiwillig allerdings. Der Leichtathletik-Star des SC Isenstedt hat wegen einer »geheimnisvollen« Erkrankung die komplette Saison abgesagt - und damit natürlich auch die Europameisterschaft.

Dass sich Jens Wiegmann immer wieder mal mit Wehwehchen, Krankheiten oder Verletzungen herumschlagen musste, war nichts Neues für ihn. Schon in den vergangenen Jahren verhinderten diese mehrfach bessere Leistungen. So schlimm aber, wie es in diesem Jahr auf ihn einprasselte, war es noch nie.
Schon in der Saisonvorbereitung musste Wiegmann gleich drei Mal wegen Grippe jeweils zwei Wochen pausieren. Eben wegen seiner Verletzungsanfälligkeit hatte er sich da aber noch nichts Besonderes dabei gedacht. »Im Frühjahr häuften sich dann aber die Auffälligkeiten, Schwächeperioden: Ich war einfach nur platt!«, erinnerte sich Wiegmann ungern.
Dann lief ihm wie schon vor den Paralympics 2004 in Athen die Zeit davon - damals allerdings hatte er die Qualifikation noch aus dem Vorjahr in der Tasche. Diesmal nicht. Das aber entpuppte sich dann relativ schnell als sein kleinstes Problem. . . Den Start in die Saison verpasste er noch wegen starker Achillessehnen-Beschwerden im linken Fuß, die nicht abklingen wollten. Hinzu kamen dann auch noch muskuläre Probleme, die sich zunächst niemand erklären konnte. Die Qualifikation für die Europameisterschaft musste man aber bis zum 29. Mai erbringen - bei Jens Wiegmanns Gesundheitszustand völlig undenkbar in diesem Jahr, in dem er noch an keinem einzigen Wettkampf teilnehmen konnte.
So bitter der K.o. ohne Wettkampf auch für Jens gewesen sein mag: Sein größtes Problem wurde aber ein anderes - eine zunächst geheimnisvolle Erkrankung. »Ich hatte Phasen, wo es gut gelaufen ist, wo ich ganz gut durchgezogen habe. Dann kamen aber plötzlich auch immer wieder Phasen, wo plötzlich gar nichts mehr ging. Statt dessen hatte ich nur ein unglaubliches Schwächegefühl!« Nur wieso und woher das Gefühl kam, das wusste er nicht. Erste Vermutungen, es könne sich um Pfeiffersches Drüsenfieber handeln, wurden zum Glück nicht bestätigt: »Der Kelch ist Gott sei Dank an mir vorüber gegangen.«
Auch die ersten Untersuchungen beim Arzt brachten aber noch keinen Ansatzpunkt, um die Quelle für diese Schwächeanfälle zu diagnostizieren. »Wir haben Anfang Juni ein großes Blutbild machen lassen, das war soweit okay«, berichtet Jens aus dem ärtlichen Bulletin. Die daraus resultierende Hoffnung hielt nicht lange - die Beschwerden kamen immer wieder. Also ergriff Jens erneut die Initiative, den Weg zum Arzt kannte er schon zur Genüge, und ließ ein zweites Blutbild anfertigen -Êdiesmal konzentriert getestet auf Homocystein, Selen, Magnesium und Zink. Die Werte für die letzten drei untersuchten Punkte waren absolut okay, gaben keinen Grund zur Sorge.
Das »erledigte« dann aber das Homocystein -Êein Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen!
Vor einigen Jahren entdeckte man bei Patienten, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten, dass deren Homocysteinwerte im Vergleich zu gleichaltrigen Gesunden erhöht war.
Zu viel Homocystein schadet den Blutgefäßen und erhöht die Gefahr von Herz-Kreislauferkrankungen - für Jens Wiegmann ein echter Schock! »Ich habe ein vierfach erhöhtes Herzinfarkt- und Kreislaufkollapsrisiko«, berichtet er. »Wenn der Wert zu hoch ist, kann er die Sehnen und den Muskelapparat angreifen«, vermutet Jens Wiegmann, darin auch den Grund für seine anderen Beschwerden gefunden zu haben. Ein Glück im Unglück für ihn ist der Trost, dass dieses Problem noch rechtzeitig erkannt worden ist - gerade angesichts der besonderen Belastungen eines Leistungssportlers.
Jetzt muss er erst einmal Folsäure schlucken und ein pflanzliches Präparat gegen das Cystelin-Problem nehmen. »Damit habe ich jetzt in dieser Woche angefangen und das dauert noch fünf, sechs Wochen. Dann muss ich wieder zum Doc, wieder zur Überprüfung.« Bis die Ergebnisse vorliegen, ist ein Start ausgeschlossen - Risikominimierung ist das Stichwort.
Den Grund für die Probleme kann sich Leistungssportler Wiegmann nicht erklären: »Wie ich da 'rangekommen bin, weiß ich auch nicht. Da ernährst Du Dich vernünftig - und dann schlägt der Wert so extrem aus. . .«
Die zusätzlichen finanziellen Belastungen, die die nicht von der Krankenkasse gedeckten Ausgaben für diese »Forschung« verursachen, sind ein anderes Ärgernis. Da kam die Geste seiner Sponsoren, den von Jens angebotenen Verziucht «2005 ist aus sportlicher Sicht jetzt abgehakt - an's Aufgeben denkt Jens Wiegmann aber keine Sekunde: »Mein kurzfristiges Ziel ist die WM 2006 in Holland, langfristig Peking 2008.«

Artikel vom 27.06.2005