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»Verständnis für Verbraucherunmut«

Stadtwerke-Chef Kogelheide: »Hoffnungen auf größere Preissenkungen aber unrealistisch«

Versmold (OH). Strom, Gas, Wasser -Êohne Energie läuft fast gar nichts. Die Strom- und Gasversorgung (SGV) und die Stadtwerke Versmold wollen als Versorger vor Ort ihren Stellenwert noch ausbauen. Dies hat sich Jörg Kogelheide, seit 1. März Geschäftsführer, zur Aufgabe gemacht. Im Gespräch mit VERSMOLDER ANZEIGER-Redakteur Oliver Horst zeigt Jörg Kogelheide Verständnis für den Unmut der Verbraucher angesichts steigender Energiepreise. Er skizziert, was im Zuge des neuen Energiewirtschaftsgesetzes zu erwarten ist und welche Chancen das Biogasprojekt für Versmold bietet.

Seit 1. März sind Sie der Mann an der Spitze der Strom- und Gasversorgung sowie der Stadtwerke Versmold. Was zeichnet das Unternehmen aus?Jörg Kogelheide: »Wir sind ein sehr schlank strukturiertes Unternehmen. Aufgrund dieser Struktur sind wir in der Lage, konkurrenzfähige Preise anbieten zu können. Was wir mit 17 Mitarbeitern bewegen, ist eine starke Leistung. Eine Stärke ist die kommunale Bindung und die Kundenbindung. Bei uns kann der Kunde direkt vor Ort eine Klärung erreichen, spricht er nicht mit einem Call-Center.«
Was kann, was muss die SGV noch besser oder anders machen?Jörg Kogelheide: »Wir müssen expandieren, neue Geschäftsfelder erschließen. Die Expansion gilt besonders für den Strombereich. Darüber hinaus sind neue Angebote wie Wärmecontracting -ÊPlanung, Bau, Finanzierung und Betrieb von Wärmeerzeugungsanlagen -Êgeplant. Diese Dienstleistung bringt beiden Seiten Vorteile. Wir können durch größere Mengen günstigere Konditionen erzielen, der Kunde muss nicht direkt in eine Anlage investieren, sondern zahlt wie beim Leasing einen festen Betrag. Zielgruppen hierfür sind Gewerbebetriebe und größere Wohneinheiten.«
Sie haben die mögliche Übernahme des RWE-Stromnetzes in den Versmolder Ortsteilen angesprochen, die seit längerem im Raum steht. Wie ist der Verhandlungsstand?Jörg Kogelheide: »Die Stromnetzübernahme ist für unser Unternehmen wichtig, da wir das Kerngeschäft weiter ausbauen wollen und müssen. Aber dieses Geschäft macht nur zu vernünftigen Konditionen Sinn. Wir befinden uns zurzeit in intensiven Verhandlungen mit RWE. Beide Seiten haben ihre Standpunkte dargelegt. Die finanziellen Vorstellungen differieren aber noch sehr deutlich, so dass der Prozess sicher noch seine Zeit dauert. Das Prozedere sieht zunächst vor, eine Einigung auf dem Verhandlungsweg zu erzielen. Gelingt dies nicht, wird es ein Schiedsgutachterverfahren geben. Ich gehe davon aus, dass dieses nötig werden wird und halte es auch für gut, wenn ein neutraler Dritter einbezogen wird. Eine Entscheidung erwarte ich im kommenden Jahr.«
Welche Vorteile hätte die Übernahme des Stromnetzes für Sie, welche für die Kunden? Um welche Dimensionen geht es?Jörg Kogelheide: »Die Liberalisierung des Strommarktes zieht Kundenwechsel nach sich. Wir wollen unsere Kundenbasis verbreitern und Synergieeffekte in unserem Haus nutzen. In unserem Stromnetz in der Versmolder Kernstadt haben wir eine Abnahmemenge von jährlich etwa 40 Millionen Kilowattstunden. Im von der RWE betreuten so genannten B-Gebiet, dem Außenbereich, liegt dieser Wert bei 125 Millionen Kilowattstunden. Dieser kommt durch eine Vielzahl an Großkunden zustande. Aber auch die Tarifkunden und das Gewerbe erreichen im B-Gebiet eine Abnahmemenge von 40 Millionen Kilowattstunden. Unsere Energiepreise können günstiger als die von RWE sein, diesen Vorteil wollen wir den Kunden auch im Außengebiet bieten. Hinzu kommt die Betreuung durch uns vor Ort und dass dann Strom, Gas und Wasser aus einer Hand geliefert wird. Für die Stadt wäre es zudem von Nutzen, wenn die Gewinne vor Ort blieben.«
Viele Energieversorger bieten schon seit einiger Zeit auch Telekommunikations-Dienste mit an. Gibt es ähnliche Ideen auch für Ihr Unternehmen?Jörg Kogelheide: »Wir sind für viele Gedanken offen, werden verschiedene Bereiche prüfen und verschließen uns dabei auch der Telekommunikation nicht. Dies ist aber zurzeit kein akutes Thema. Damals nicht mit auf den Zug aufzuspringen, war richtig. Es gibt nur noch wenige Unternehmen, die nach dem harten Preiskampf wirtschaftlich erfolgreich sind und an diesem Bereich festgehalten haben.«
Am 1. Juli tritt das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft. Die Politik spricht in diesem Zusammenhang von sinkenden Energiepreisen. Was bedeutet dieses Gesetz für die SGV, was für die Kunden?Jörg Kogelheide: »Es werden Hoffnungen geweckt, die nicht realistisch sind. Die Netznutzungsentgelte, deren Preis sich vielleicht um 10 bis 15 Prozent reduzieren wird, machen nur 35 Prozent des Gesamtenergiepreises aus. Der reine Energiepreis ohne Stromsteuer, Auswirkungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes und weitere Abgaben ist in den vergangenen Jahren im Tarifkundenbereich eigentlich konstant geblieben. Es ist durch die Regulierung der Netznutzungsentgelte mit einer effektiven Preissenkung von 3,5 bis 5 Prozent zu rechnen. Vor dem Hintergrund des weltweit steigenden Energiebedarfs sehe ich aber mittel- und langfristig weiter steigende Strompreise. Den Unmut der Kunden kann ich verstehen, denn das Preisniveau für Energie wird langsam zu einer deutlichen Belastung. Für uns bedeutet das neue Gesetz sehr viel Aufwand, der zusätzliches Personal erfordert und somit Kosten ansteigen lässt und die Marge verringert. Die Berichtspflichten und die Trennung von Netzbetrieb und Vertrieb, was bislang bei uns in der Hand einer Person liegt, müssen wir jetzt angehen. Das neue Gesetz umfasst 118 Paragraphen, das alte hatte gerade mal 19.«
Sie sind stark in das Biogas-Projekt mit einbezogen, bei dem 20 Landwirte gereinigtes Biogas in das Erdgas-Netz einspeisen wollen. Welche Bedeutung messen Sie diesem Projekt für Versmold bei? Welche Auswirkungen könnte es auf den Energiemarkt vor Ort oder sogar auf noch größerer Ebene haben?Jörg Kogelheide: »Ich war zugegebenermaßen zunächst skeptisch, habe dann aber überlegt, wie wir das Projekt ökologisch und ökonomisch angehen können. Das Projekt bietet für alle Beteiligten große Chancen. Es kann die Landwirte stärken, die die Biogasanlage betreiben und die Aufbereitung übernehmen wollen. Auch wir in der Rolle des Abnehmers, der das Biogas in einem Blockheizkraftwerk verstromen lassen will, können profitieren. Wir suchen jetzt einen Großkunden, bei dem Strom und Wärme genutzt werden. Dieses Pilotprojekt kann einen Weg aufzeigen, um im Energiebereich ein Stück mehr Unabhängigkeit in Deutschland zu erreichen. Zukunftspotential hat die Idee. Ähnliche Projekte werden andernorts auch entwickelt. Ich glaube aber, dass wir einen Schritt voraus sein können. Was die Frage der Förderung durch die neue Landesregierung angeht, dies wird geklärt.«

Artikel vom 01.07.2005