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Auf der Flucht vor
Gesetz und Rächern

Michael Caine spielt einen Nazi-Kollaborateur

»The Statement« gehört zu einem Genre, das in den vergangenen Jahren doch eher rar geworden ist auf der Kinoleinwand: Filme über die Jagd nach Verbrechern aus dem Zweiten Weltkrieg.

Umso mehr ist der Streifen ein Höhepunkt: Die Rolle des flüchtigen Vichy-Verbrechers Pierre Brossard spielt der in Würde gealterte Michael Caine, und die Regie übernahm Hollywood-Veteran Norman Jewison, auf dessen Konto cineastische Meilensteine wie »In der Hitze der Nacht« und »Jesus Christ Superstar« gehen.
Brossard war 1944 als Angehöriger des Vichy-Regimes während der Nazi-Besatzung Frankreichs an der Ermordung von sieben jüdischen Geiseln beteiligt, schaffte es jedoch, nach dem Krieg ungestraft davonzukommen - mit der Hilfe eines Rings innerhalb der katholischen Kirche, der Männern wie ihm Unterschlupf in sicheren Klostern gewährt.
Doch im Jahr 1992 ändert sich alles. Eine junge französische Richterin (Tilda Swinton) lässt den Fall nochmal aufrollen und bemüht sich darum, die Spur Brossards aufzuspüren. Gleichzeitig versucht ein Unbekannter, den inzwischen 70-Jährigen zu töten. Brossard bringt den Angreifer stattdessen selbst um und begibt sich auf die Flucht, die den ganzen Film dauern wird. Am Ende tauchen dann die Umrisse eines großen Komplotts auf.
Der Film wurde 2003 gedreht, aber man hat trotzdem gelegentlich das Gefühl, ihn schon irgendwo mal gesehen zu haben. Er wirkt wie ein Remake - aber nicht eines bestimmten Streifens, sondern eher eines ganzen Genres, das berühmte Filme wie »Die Akte Odessa« über eine Geheimorganisation untergetauchter SS-Offiziere hervorbrachte oder »Der Marathon-Mann« mit der unvergesslichen Szene, in der Dustin Hoffman von einem einstigen Nazi-Arzt mit einer Zahnbehandlung gefoltert wird. Und da könnte man kaum einen besseren als den inzwischen 78-jährigen Jewison finden, der den politischen Film der 60er und 70er Jahre nicht imitieren muss, weil er ihn mitgeprägt hat.
Zugleich reißt »The Statement« kontroverse Themen wie die Rolle der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg oder die Jagd jüdischer Attentäter nach flüchtigen Kriegsverbrechern an. Beim Aufblenden bleibt es dann allerdings weitgehend: Stattdessen rückt die atemlose Flucht Brossards vor dem Gesetz und den Attentätern in den Mittelpunkt.
Michael Caine versucht dabei, in Brossards Persönlichkeit eine Mischung aus Brutalität, Reue, eiskaltem Überlebensinstinkt, Schuldverneinung und Angst zu verschmelzen. Das führt mitunter zu heftigen Schwankungen. Mal ist er ein niedergeschlagener alter Mann, der Gott auf Knien um Vergebung anfleht. Bald darauf droht er ungerührt, den Hund seiner Ex-Frau zu töten, damit sie ihn versteckt. Er habe sich bemüht, Brossard menschlich zu machen, sagte der 72-jährige Caine.
Der Film basiert auf einem Roman des verstorbenen Autors Brian Moore, und die Geschichte birgt Parallelen zum Fall des Vichy-Offiziers Paul Touvier, der bis 1989 flüchtig war und 1996 zu lebenslanger Haft verurteilt im Gefängnis starb. Auch er bediente sich zur Flucht der Hilfe konservativer katholischer Priester. Cineplex

Artikel vom 23.06.2005