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Michael Hahn reduziert
Theater auf ein Bild

Preisgekrönter Illustrator arbeitet für Haus in Detmold

Von Dietmar Kemper
Detmold (WB). Das Programmheft des Landestheaters Detmold für die Spielzeit 2005/2006 bietet mehr als nüchterne Information. Dank der Illustrationen von Michael Hahn ist daraus ein Kunstwerk geworden.
Für den Freischütz lässt Hahn Hirsche weinen.
Michael Hahn

»Nur wenige Theater setzen bei Plakaten und Heften auf Illustrationen«, sagte Hahn gestern dieser Zeitung. Detmolds Intendanten Kay Metzger kennt der Sohn einer Tänzerin und eines Bühnenbildners gut. Als Metzger das Nordharzer Städtebundtheater (Halberstadt) leitete, gestaltete Hahn in seinem Auftrag von 1997 bis 2005 Plakate und Programme. Nun konzentriert sich der 41-Jährige auf Detmold, und die Kulturfreunde in Ostwestfalen-Lippe dürfen sich auf Bilder eines renommierten Illustrators freuen.
Hahn gestaltete Plakate für die Theater Bremen, Coburg und Lübeck, das Schauspiel Bonn und das Pittsburgh Playhouse Theatre. Das Boston Magazine und die Los Angeles Times druckten seine Arbeiten genauso wie der »Stern«, die »Süddeutsche Zeitung« und das »Bild der Wissenschaft«. Für sein Plakat »Hexenjagd« (Arthur Miller) erhielt Hahn die Goldmedaille der Society of Illustrators New York, sein Bild »Rakes Progress« zur Strawinsky-Oper wurde 2004 in die Reihe der »100 besten Plakate« im deutschsprachigen Raum aufgenommen.
Hahn studierte in Hamburg an der Kunstschule Alsterdamm Grafik-Design und schrieb sich anschließend an der Fachhochschule für Gestaltung der Hansestadt im Fachbereich Illustration ein. Er malt mit Acrylfarben, greift zu Blei- und Buntstift und nutzt moderne Technik, um zum Beispiel Schwarz-Weiß-Strichzeichnungen am Computer einzufärben. Der 41-Jährige liebt die Freiheit, als Illustrator verschiedene Stile, vom Comic bis zur klassischen Malerei, zu verbinden: »Das ist wie in der Oper. Obwohl acht verschiedene Leute gleichzeitig singen, entsteht vollendete Harmonie.«
Auf den Plakaten für das Detmolder Programmheft hat sich Hahn vom historischen Umfeld der Stücke gelöst. Schillers Johanna von Orleans trägt kein Kettenhemd, die Oper »Der Freischütz« versinnbildlicht Hahn mit einem Rudel Hirsche, denen gelbe Tränen aus den Augen quellen. »Ich versuche aktuelle Bezüge einzuarbeiten, damit Theater lebendig bleibt«, erläuterte der Künstler. Bei Johanna von Orleans interessiere ihn, »wie eine Kämpferin heute aussieht, zum Beispiel als Märtyrerin für eine Religion«. Hahn will mit seinen Bildern Diskussionen anregen. »Obwohl die Menschen mit Werbung zugeballert werden, nehmen sie Plakate überraschend stark wahr«, weiß er aus Briefen, in denen er gelobt, aber auch harsch kritisiert wurde. Nicht provozierend, sondern witzig fiel sein Titelbild für das Programmheft aus: Inspiriert vom Motto der kommenden Spielzeit »Lippe riskieren« zeichnete Hahn ein Paar kurz vor dem Kuss.

Artikel vom 21.06.2005