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»Erstaunlich, was illegal in Umlauf ist«

Polizei findet mehrere hundert Waffen bei Steinhagener Jäger - WB fragt Experten

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Der Fund ist spektakulär: Mehrere hundert Waffen haben die Ermittler im Haus eines 52-jährigen Jägers aus Steinhagen sicher gestellt. Wie gestern berichtet, war auch die Gemeinde im Rahmen einer Fahndungsaktion in vier NRW-Städten unter Federführung der Staatsanwaltschaft Hagen Schauplatz eines Polizeieinsatzes gewesen.

200 Luftgewehre, 400 Schreckschusspistolen, 15 Jagdgewehre und 30 Pistolen sowie alte Granaten sollen es gewesen sein, die die Polizei aus dem außerhalb gelegenen Haus des Mannes, herausholte. Er war ins Visier der Polizei im Zuge von Ermittlungen gegen einen 57-jährigen Mann aus Hamm geraten, dem Waffenlieferungen an die Mafia vorgeworfen werden (siehe dazu den großen Bericht auf der Seite OWL).
Ein so umfangreicher Waffenfund - für die heimische Polizei alles andere als alltäglich. »Das ist absolut einmalig«, bestätigt denn auch der Steinhagener Bezirksdienstbeamte Gerhard von Stürmer auf Anfrage des WESTFALEN-BLATTes. Wie ist das »normalerweise«? Mit welchen Waffen hat die Steinhagener Polizei zu tun? Höchstens einmal oder zweimal pro Jahr werde überhaupt irgendwo in der Gemeinde eine Waffe, ein Kleinkalibergewehr etwa, sichergestellt, so von Stürmer. Schreckschusswaffen mit Gas- oder Platzpatronen kommen den Steinhagener »Dorfsheriffs« da schon etwas häufiger unter: »Früher waren sie Waffenschein frei, heute braucht man den sogenannten kleinen Waffenschein.« Der Große ist dann für die scharfen Waffen nötig.
Ein weiteres Thema für Experten: die Soft-Air-Waffen, die man so leicht als Spielzeugpistolen abtun könnte, die aber täuschend echt aussehen. »Auch vom Fachmann kaum zu erkennen«, gibt der Polizeioberkommissar zu. Sie sind von den Regelungen des Waffengesetzes ausgenommen, wenn ihre Geschossenergie nicht höher als 0,08 Joule ist und sie keine Nachahmung »scharfer Schusswaffen« sind. Ein echtes Gefährdungspotential traut Gerhard von Stürmer ihnen aber nicht zu.
Robert Winckelsesser, der seit mehr als einem Jahr in Steinhagen den Fachhandel »Schützenservice« an der Raiffeisenstraße betreibt, findet allerdings, dass gerade in diesem Bereich der Gesetzgeber geschlafen habe, als er das Waffengesetz zum 1. April 2003 verschärft, aber ausgerechnet die erschreckend echt aussehenden Soft-Air-Waffen genehmigungsfrei ab 14 Jahren ließ. Die Verschärfung des Waffengesetzes habe, so seine Erfahrung, auf den - legalen wie illegalen - Waffenbesitz kaum Einfluss gehabt: »Das Gesetz ist wichtig, es muss ja eine Kontrolle geben, aber illegalen Waffenbesitz dämmt man dadurch nicht ein«, sagt er. Denn das Gesetz gelte ja nur für diejenigen, die sich auch innerhalb seiner Grenzen bewegen. Die anderen ordnen sich ihm schließlich nicht unter. Das sei beim Waffenrecht nicht anders als etwa bei der Straßenverkehrsordnung.
Sportschützen, wie auch Winckelsesser einer ist, und Jäger, sie sind neben der Polizei die einzigen Personengruppen, die Waffen besitzen dürfen. Aber der Geschäftsmann weiß auch: »Es ist erstaunlich, was illegal in Umlauf ist.« Nicht nur, dass es für Kriminelle im vereinigten Europa nicht schwer fällt, aus östlichen und südlichen Ländern Waffen einzuführen. »Auch im Laden wurden mir schon illegale Waffen angeboten«, berichtet er. Zum größten Teil seien das »Altlasten«, Erbstücke oder Exemplare, die noch auf dem Speicher oder im Keller gelegen hätten. »Viele sind gar nicht vorsätzlich in Besitz dieser Waffen«, weiß er. Robert Winckelsesser bietet dann an, die Waffe in Verwahrung zu nehmen und in den normalen Kreislauf, so sagt er, zurückzuführen. Dazu gehört der Eintrag in sein Waffenbuch ebenso wie die Meldung an die Polizei.
Seite Ostwestfalen-Lippe

Artikel vom 21.06.2005