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Erzählcafé im Museum spürt Paul Müller auf

Viele Geschichten ranken sich um den Doberg - Nächste Veranstaltung im September


Bünde (BZ). Als der Förderverein Dobergmuseum zu einem ersten Erzählcafé ins Museum einlud, war das ein Experiment, von dem die Organisatoren nicht wussten, wie es ausgehen könnte. Die Themenvorschläge kreisten um Paul Müller, den Doberg, das »Steinzimmer« - damit also praktisch um die Entstehungsgeschichte des Dobergmuseums.
Heute vor ziemlich genau 100 Jahren, im Jahre 1905, legte ein Schülerstreich den Grundstein für das heutige Dobergmuseum. Es war ein durchlöcherter Hut, der Bünder Museumsgeschichte schrieb. Die Geschichte vom Schüler Paul Müller, der dem damaligen Jungengymnasium zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens seine kleine Dobergsammlung schenkte, erzählte Museumsgründer Friedrich Langewiesche gern als Anekdote. Weitere Fundstücke kamen hinzu, und nach dem Ersten Weltkrieg entstand im heutigen Gymnasium am Markt das berühmte »Steinzimmer«.
Wer aber war Paul Müller? Wenn letztlich er es war, dem Bünde sein Dobergmuseum zu verdanken hat, sollte sich doch mehr über ihn in Erfahrung bringen lassen. Dieser Frage war das erste Erzählcafé im Museum gewidmet. Und, was niemand recht zu hoffen wagte, das Geheimnis um Paul Müller ließ sich lüften. Elisabeth Kassebaum, Enkelin Friedrich Langewiesches, brachte sogar Fotos mit.
Paul Müller könnte etwa 1894 geboren sein, Sohn der in Minden lebenden Familie Karl Müller und damit ein Verwandter - wahrscheinlich ein Neffe - von Langewiesches Ehefrau Clara. Er wurde für einige Zeit im Hause Langewiesche aufgenommen, damit er das Jungengymnasium in Bünde besuchen konnte. »Bestimmt ist er oft mit Großvater zum Doberg gegangen«, sagt Elisabeth Kassebaum. Paul Müller muss seine Funde sorgfältig aufgeklebt haben. Die Fotos zeigen Paul Müller als kleinen Jungen mit seiner Schwester Grete und als jungen Mann. Leider gibt es nicht mehr viel von ihm zu berichten. Er starb als Soldat im Ersten Weltkrieg.
Erstaunlich, wie viele Erinnerungen sich mit dem Doberg verbinden. Er war Ziel vieler Sonntagsausflüge.
Wie es kam, dass die Leute sich für die merkwürdigen Funde im Doberg zu interessieren begannen, dass sogar Geologen von weither kamen, um die wissenschaftliche Bedeutung dieser Fundstätte herauszustellen? Museumsleiter Michael Strauß berichtet vom Mer-gelabbau, dem der gewaltiger Aufschluss zu verdanken ist. Landwirte schätzten den Mergel als Dünger für ihre Felder. Kaum zu ermessen, wie viele wertvolle Zeugnisse achtlos in Ackerfurchen untergingen. Doch ohne den Mergelabbau gäbe es vermutlich heute im Bereich des Dobergs nur eine sanfte Bodenwelle, und niemand dächte darüber nach, was sich in tieferen Schichten verbergen könnte. Und die Doberg-Seekuh wäre nie entdeckt worden.
Fazit aus dem ersten Erzählcafé: Das Thema Doberg ist nicht abgeschlossen. Gemeint ist nicht nur der geologische Ort. Wie bewegt sich ein Ort innerhalb der Zeit? Welche vielfältigen Bezüge lassen sich mit ihm verbinden? Das nächste Erzählcafé soll deshalb nicht lange auf sich warten lassen und voraussichtlich nach der Sommerpause im September stattfinden.

Artikel vom 22.06.2005