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Ein Hort der Einseitigkeit

Dem Sonntagsgespräch mangelt es an Widerspruch

Hochkarätig besetzt war das Sonntagsgespräch mit Richard Meng, Daniela Dahn und Walter van Rossum allemal. Doch es krankte an der Einseitigkeit der Ansichten. Vor lauter Linkssein fehlt der bürgerliche Gegenpol.
Zwei von drei kritischen Geistern beim Signieren am Sonntagmittag: Danial Dahn und Walter van Rossum.


Dieser Mangel öffnete der Polemik die Tür. Altbekannte Thesen wurden unwidersprochen vorgetragen.
Die Runde hatte sich die Aufgabe gestellt, über das Thema »Deutschland vor der Wahl! Die Reformlüge oder Vom langsamen Verschwinden der Freiheit« zu diskutieren: Richard Meng, Berlin-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Daniela Dahn, Gründungsmitglied des Demokratischen Aufbruchs in der DDR, jetzt Schriftstellerin, und der Kölner Philosoph, Autor und Freigeist Walter van Rossum.
Ausgang war Medienkanzler Gerhard Schröder. Bemerkenswert, dass die, die Sprache ihren Beruf nennen, von ihm schon in der Vergangenheitsform sprachen. Schröders politischer Nachlass werde sein, dass er aus der parlamentarischen Demokratie eine Mediendemokratie gemacht habe. Das hatte Kohl noch nicht, dem werde sich eine Kanzlerin Merkel fügen müssen. Politik und Medien seien eine Ehe eingegangen und sie bestimmten im Wechselspiel die gesellschaftlichen Debatten. Hinzu käme die Wirtschaft, die die Politik für sich vereinnahmt habe. Dahn sprach davon, dass Deutschland mittlerweile betriebswirtschaftlich und nicht volkswirtschaftlich geführt werde. Die gesellschaftliche Schieflage zwischen Arm und Reich sei es, an der die Nation eigentlich kranke und nicht die Folgen der Globalisierung. Tenor: Wir haben kein Anschlussproblem im Rahmen des Wettbewerbs der Völker untereinander, sondern ein internes Verteilungsproblem der Ressourcen. Das äußere sich im Wahlboykott, man bleibe einfach zu Hause, da sich ehĂ• nichts tue - alles eben eine Reformlüge - oder laufe den Rechten und Radikalen in die Arme. Aufklärung tue Not. Nicht durch die Bildzeitung oder Talkshows wie die einer Sabine Christiansen, sie betrieben im Gegenteil kollektive Volksverblödung, sondern durch die seriöse Presse.
Der politischen Elite, egal, welcher Couleur, wurde dabei pauschal Führungsfähigkeit sowie das notwendige geistige und analytische Potenzial abgesprochen. Vermissen ließ die Runde in diesem Zusammenhang die Kritik an sich selbst und dem eigenen Stand.
Für Durchblick sorgte deshalb, was Walter van Rossum als sein persönliches Anliegen formulierte: »die Menschen auf die Höhe der eigenen Skepsis zu hieven«. Das hat die Runde in der Tat versucht. Dittmar Koop

Artikel vom 27.06.2005