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Ein anderer Stil ist gefragt

Gedanken über die Zukunft der ehrenamtlichen Tätigkeit in Deutschland

Von Jürgen Spies
Delbrück (WV). Westfalen und speziell die heimische Region gelten als »Land der Vereine und Verbände«. Ehrenamtliches Engagement hat einen hohen Stellenwert. Bleibt dies auch in Zukunft so? In einer Zeit, in der angeblich immer mehr Menschen nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind?

Auf Einladung der Volksbank Paderborn-Höxter, die ihre Mitgliederversammlung für den Geschäftsbereich Delbrück und Salzkotten, am Donnerstag in der Stadthalle Delbrück abhielt, referierte der Rektor der Landvolkshochschule »Anton Heinen« Hardehausen, Monsignore Dr. Konrad Schmidt, zum Thema »Solidarität und Ehrenamt: Auslaufmodell, Ladenhüter oder Bestseller«. Als weitere Referenten waren eingeladen: Felix Hoffmann (Vorstandsmitglied des Vereins Deutsches Polizeimuseum; Salzkotten) sowie aus Delbrück Wigbert Rath (Vorsitzender des Karnevalvereins Eintracht), Reinhard Scheipers (Vorstandsmitglied des DRK), Peter Schniedertüns (Freiwillige Feuerwehr/Löschzugführer Delbrück-Mitte) sowie August Vöcking (Vorsitzender des Männergesangvereins und Vorsitzender der Sängerjugend NRW).
Etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland sind ehrenamtlich aktiv. Von daher »gibt es keine Krise im Ehrenamt«, meinte Monsignore Schmidt, schränkte aber gleich ein: »Es gibt einen Wandel vom alten zum neuen Ehrenamt«. Damit meinte er, dass die traditionelle Form des Ehrenamtes, gleichbedeutend mit einer jahrzehntelangen Mitgliedschaft sowie Aufgabenübernahme bis zur Selbstaufopferung, schon in der Krise sei. Heute und künftig sei ein anderer Stil ohne strenge hierarchische Formen gefragt. Wer sich heute ehrenamtlich engagiere, möchte »kein Handlanger sein«, so Dr. Schmidt. Wichtig seien die Zuweisung bestimmter Kompetenzen, oft auch die Eingrenzung des zeitlichen Aufwandes, inhaltliche Aufmerksamkeit und Sinnhaftigkeit des Tuns. Unter diesen Voraussetzungen seien auch künftig das Ehrenamt Männer und Frauen bereit, sich ehrenamtlich einzusetzen. Letztlich gelte aber nach wie vor: »Nichts motiviert so sehr wie der Erfolg«. Dass es heute dennoch Vereine gibt, die Probleme haben, alle Vorstandsposten neu zu besetzen, sieht Dr. Schmidt so: »Wenn sich keiner dafür findet, ist das eben so. Wenn die Arbeit des Vereins allerdings als so wichtig angesehen wird, wird man auch jemanden finden, der es tut«.
Die Vertreter der Vereine schilderten aus ganz unterschiedlicher Perspektive ihre Erfahrungen »in Sachen« Ehrenamt. Peter Schniedertüns beispielsweise legt besonderen Wert darauf, ehrenamtliche Tätigkeiten auf viele Schultern zu verteilen (»dann gibt's auch keine Probleme, Nachfolger zu finden«). Ähnlich äußerte sich Reinhard Scheipers (»die Vereins-Motoren dürfen nicht überfordert werden«). Speziell junge Leute müssten frühzeitig motiviert werden, Aufgaben zu übernehmen. Wigbert Rath strich heraus, dass - gerade im Delbrücker Land - die Vereine glücklicherweise eng zusammenarbeiten. Felix Hoffmann hat indes die Erfahrung gemacht, dass sich Vereine vor allem auf ihre eigenen Stärken besinnen müssen und sich »nicht auf andere verlassen« dürfen und können.
Nebenbei: Was in den USA nach Auskunft von Reinhard Scheipers gang und gäbe ist, hat sich in Deutschland noch nicht so durchgesetzt: In den Staaten werden bei Einstellungen nämlich Leute bevorzugt, die ehrenamtlich tätig sind!

Artikel vom 18.06.2005