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Punktgenauer Kampf gegen den Krebs

Strahlen helfen heilen - Bielefelder Chefarzt Dr. Friedrich Jentsch macht den Patienten Mut

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Die Bestrahlung ist ein wichtiger Bestandteil der Krebstherapie. Nach wie vor aber ist sie oft angstbesetzt. Dabei hat die Strahlentherapie eine segensreiche Entwicklung genommen. »Sie ist immer präziser und damit sicherer geworden. Das sollte der Patient wissen, das kann und darf ihn beruhigen«, sagt Dr. Friedrich Jentsch, Chefarzt der Strahlentherapie und Radioonkologie im Bielefelder Franziskus-Hospital. Und er verspricht: »Der Patient wird immer weniger davon merken.«

Seit mittlerweile fast 20 Jahren leitet der 63-jährige Spezialist die Strahlentherapie in dem Krankenhaus, und mit Stolz verweist er darauf, dass sie bei sämtlichen Beurteilungen und Zertifizierungen hervorragend abgeschnitten habe. Das ist entscheidend auch das Verdienst des Mediziners, für den ein Zwölf-Stunden-Tag normal ist. »Das ist eine Arbeit, die einen frisst. Wir haben Patienten, die uns mit Haut und Haaren brauchen und die man nicht im Stich lassen darf«, sagt er.
Der Arzt hat die rasante Entwicklung der Strahlentherapie der vergangenen Jahrzehnte erlebt, hat in seinen ersten Jahren in Göttingen noch die Kobaltgeräte eingesetzt. »Kobalt und Caesium haben aber nicht nur eine lange Halbwertzeit und sind noch nach Jahrzehnten hochgefährlich. Die Strahlung streute wegen der geringen Energie bei den alten Geräten auch in den ganzen Körper«, erklärt er. Heute arbeitet Jentsch mit einem hochmodernen Linearbeschleuniger. Dank der extrem hohen Energie sind die Strahlen hier nur noch vorwärts gerichtet - es gibt keine unerwünschte Streuung. Die Eintrittsdosis kann gering sein, die Strahlenmenge verdreieinhalbfacht sich im Körper und trifft gezielt auf den Tumor. Entsprechend exakt muss die Bestrahlungsplanung für jeden Patienten vorgenommen werden.
So kompliziert die Geräte heute auch sind: Der Chefarzt kennt sich aus. Nicht umsonst hat er Elektrotechnik studiert, bevor er direkt vor dem Examen vollständig zur Medizin (die er mit großem Kraftaufwand bereits »nebenbei« betrieb) umschwenkte. »Mein Vater war Arzt, und er war für seine Patienten sicher ein Wohltäter«, begründet Friedrich Jentsch die Entscheidung. Und irgendwann wollte der junge Mann, der schon als Schüler als Sprechstundenhilfe einsprang, auch helfen können - und zwar gut helfen. In der Strahlentherapie, eine der drei Säulen in der Krebsbehandlung, fand er sein Metier.
Gemeinsam mit den Kollegen aus der Chirurgie und Onkologie, aber auch aus der Gynäkologie und vom Brustzentrum, bespricht er in Fallkonferenzen die Therapie. Sie wird auf jeden Patienten individuell zugeschnitten. Angst vor Krebs hat er selbst trotz des täglichen Umgangs mit Tumorpatienten nicht: »Der Gedanke hat keinen Platz. Er würde die Ausübung des Berufs auch unmöglich machen. Angst ist der schlechteste Partner, den man haben kann.« Sollte ihn das Schicksal treffen, würde er tun, was machbar ist. »Und wenn nichts mehr geht, will einen vielleicht der liebe Gott haben.«
Jeden Abend allerdings denkt Jentsch noch einmal über jeden Patienten des Tages nach und überlegt, ob irgendetwas besser zu machen wäre. Pro Jahr behandelt er 500 Patienten. Dass für sie die Situation Stress ist, eine Grenzerfahrung und mit Angst behaftet, vergisst Jentsch bei aller Routine nie. »Ich versuche, ihnen etwas fürs Herz mitzugeben, damit das Leben wieder schön wird.« Vor allem möchte er, dass sie sich nicht in der Krankheit vergraben.
Dabei bemüht sich Jentsch, auch mit Vorurteilen aufzuräumen - wie mit dem offenbar unausrottbaren angeblichen Waschverbot. »Es stellt für die Betroffenen eine enorme Belastung dar, wenn ihnen gesagt wird, sie dürften sich während der Strahlentherapie zum Beispiel bei Brust- oder Prostatakrebs nicht waschen.« Fett- und parfümfrei, möglichst leicht sauer sollen die Waschlotionen sein. Und er beteuert, dass die Patienten nach der Bestrahlung niemanden meiden müssen und auch für Kleinkinder keine Gefahr darstellen. Die häufigsten Fragen beantwortet Jentsch in einer Broschüre mit dem Titel »Strahlen helfen heilen«. Und eben der Heilungschancen wegen würde er diesen Beruf immer wieder wählen.
www.franziskus.de

Artikel vom 17.06.2005