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Im Herbst sind Zerstörungen
des Tsunamis wieder repariert

Perfektem Winterurlaub auf den Malediven steht nichts mehr im Weg

Von Thomas Albertsen
Samad Abdul saß am 26. Dezember 2004 früh im Büro und checkte seine Emails, als der Tsunami kam. Auf einmal war die Flut da, stand das mit Sand und Blumenerde schlammig durchmischte Wasser fusshoch im Büro, blieb für drei Minuten und legte die Elektronik lahm. Genauso schnell verzog sich die braune Brühe aber auch wieder, und Samad, der einen Augenblick dachte, die Maldediven-Insel Kurumba sei abgesackt, war nun vollends verwirrt.

Ähnlich ging es den Gästen des Nobel-Resorts, die beim Frühstück saßen und auf einmal nasse Füße bekamen. Kurze Zeit später wussten alle, dass sie unheimliches Glück gehabt hatten - denn die todbringende Welle hatte Kurumba nicht erreicht. Die Flughafeninsel nahe der Hauptstadt Male hatte den größten Druck abgefangen. Und das Hochwasser erreichte nur Kurumbas ufernahe Zonen. Ein aufgeschütteter Sichtschutz, der die Wirtschsftsbereiche der Insel von den Gästebungalows trennt, hatte das Schlimmste verhindert und die Generatoren vor dem Hochwasser geschützt. Binnen weniger Wochen war Kurumba wieder gesäubert, zerstörte Holzböden ausgewechselt. Friedlich glänzte das Meer in der Sonne - Samad fragte sich, was wohl drüben im »Club Med« auf der Nachbarinsel passiert war? Dort war der Tsunami mit voller Wucht aufgeprallt und hatte nichts als Kleinholz hinterlassen: »Ein Wunder, dass da niemand gestorben ist.« Dieses Eiland soll nun mit der künstlichen Insel Hulumale verbunden und einer ganz neuen Nutzung zugeführt werden. Büros und Wohnungen sollen dort entstehen - ein zweites städtisches Zentrum neben der Hauptstadt Male.
Easa Mohamed auf Furanafushi hatte früh morgens bereits das Erdbeben verspürt, das leichte Wackeln jedoch längst vergessen, als die Welle das Full Moon Resort erreichte. Währenddessen fühlte sich seine Chefin Vicki Hunt, die gerade ihrem Lieblingssport Tauchen frönte, »wie in einer Waschmaschine, als auf einmal alles durcheinander gewirbelt wurde und das klare Wasser plötzlich trüb wurde und jegliche Orientierung unmöglich machte«. Gleich die erste Welle leistete ganze Arbeit: Das Spa wurde völlig zerstört, die auf Stelzen errichteten Wasserbungalows waren nur noch Schrott - glücklicherweise saßen die dort wohnenden Gäste beim Frühstück. Auch die Unterkünfte der Resort-Bediensteten standen unter Wasser. Zwei Arbeiter im Generatorenhaus legten geistesgegenwärtig den Hauptschalter um, bevor es zum großen Zisch und Knall kam.
Ein halbes Jahr danach ist die Normalität noch nicht wieder eingekehrt auf Full Moon. Zwar ist das Spa größer und schöner als vorher neu aufgebaut worden, doch für die Wasserbungalows stehen gerade erst mal die Grundpfeiler. Dass das Resort überhaupt noch fünf dieser Unterkünfte hat, lag daran, dass diese in den Wochen vor dem Tsunami neu gebaut worden und noch nicht eingerichtet waren. Diese Bauten hielten dem immensen Wasserdruck stand, weswegen diese Technik nun auch beim Neubau aller anderen Häuser angewandt wird. Die Gäste der übrigen Quartiere bekommen die Bauarbeiten so gut wie gar nicht mit, und im Oktober sollen auch die Wasserbungalows bezugsfertig sein. Denn dann beginnt die Hauptsaison.
Obwohl die Malediven im Sommer weniger Besucher verzeichneten als in der Nebensaison vergangener Jahre, wollen die Resorts keine Preisnachlässe gewähren. »Preissteigerungen sind natürlich nicht drin, aber verramschen werden wir unsere Premium-Produkte nicht. Das würde sich auch nicht mit den hohen Fracht- und Energiekosten vereinbaren lassen«, sagen Marketingchefin Manuela Schwingshackl aus Meran, Gästebetreuerin Vicki Hunt aus Manchester und Michael Melzer aus Berlin, verantwortlich für alle Lebensmittel. Der Food & Beverage Manager und seine Küchenbrigade sorgten in den Tagen nach dem Tsunami dafür, dass das unermüdllich schuftende Personal, aber auch die emsig helfenden Gäste nicht hungern mussten. »Glücklicherweise kochen wir mit Gas, da konnte uns der Stromausfall keinen Streich spielen.«
Die leitenden Airliner und Hotelangestellten trafen sich übrigens kürzlich in Male zu einem Erfahrungsaustausch. Das von Präsident Abdul Gayoom anberaumte Symposium regte an, in allen Resorts Sicherheitszonen anzulegen, in die Touristen sich im Falle einer Flut flüchten können. Außerdem soll ein krisensicheres Kommunikationssystem für Notfall-Einsatzkräfte geschaffen werden. Der Flughafen Male soll demnach eine zweite Landebahn erhalten, um benötigte Hilfstransporte effizienter abzuwickeln.

Artikel vom 24.06.2005