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Im Augenblick das Ewige erkennen

Joan Morenos Kultivierung des Dinglichen - Ausstellung mit Gruppe »ÜberformART«

Von Johannes Zoller
Gütersloh (WB). Unmerklich hat die Zeit Lebensspuren hinterlassen, an denen man die Geschichte der Dinge erahnt. Der Künstler Joan Moreno hat sich still auf die Suche begeben, dem Sein des Dinglichen nachzuspüren und er hat jene Vergänglichkeit gefunden, die von früheren Zeiten berichtet.

Moreno wurde 1950 im katalonischen Valencia in eine sozialdemokratische Familie des von der Franco-Diktatur beherrschten Spaniens hineingeboren. Fünfzehnjährig bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule von Valencia und studierte Malerei. l968 setzte er seine Studien in den USA fort, wo ihn der Weg durch viele Großstädte über Harrisburg nach New York, Detroit, Boston oder Philadelphia führte. Geld von zuhause gab es für den jungen Maler nicht, und er ist einer jener Künstler, die heute auf eine umfassende Erfahrung in vielleicht 20 unterschiedlichen Berufen zurückblicken können. Damals verdiente er sich seine Brötchen als Bühnenbildner und mit Aquarellen amerikanischer Landschaften, die er über eine Galerie in Barcelona verkaufen ließ.
Nach drei Jahren kehrte er nach Girona zurück, bestand 1972 die Aufnahmeprüfung der Kunsthochschule Hamburg und studierte dort weitere zwei Jahre. Er kam mit Umwegen über Spanien, wo er vor einem Militärgericht als Deserteur verklagt worden war, jedoch dieser sehr ernsten Situation ungestraft entkommen konnte, über Berlin und Hannover in seine Wahlheimat Gütersloh.
Moreno hat viel von der Welt gesehen und erlebt, und seine Wanderjahre endeten hier. Der hervorragende Grafiker, Zeichner und Maler begann sich in seinen Stillleben nur noch auf das Wesentlichste zu konzentrieren. Er wählte aus und beschränkte sich in dem Sinne, alles Überflüssige wegzulassen. Er widmete sich der Kultivierung des Dinglichen und verlieh den von ihm zusammengestellten Objekten durch seine Zeichnungen, Radierungen, Grafiken und Ölbilder etwas, was man mit Seele bezeichnen möchte.
Wie ein einziges Buch mit dem Titel »Der Schatten des Windes« im gleichnamigen Roman von Carlos Ruiz Zafòn zum Anlass einer sehr umfangreichen Geschichte wird, so ist der Stuhl, die Muschel, eine beschriftete Holzkiste, alte Dosen oder ein Holzstück in Morenos Stillleben wie eine letzte Gerinnung eines literarischen Großromans, den wir Leben nennen. Seine Kunst kommt aus dem Leben und ist wie eine Schwelle, um ins Leben zurückzukehren. Diese Schwelle kann Vergänglichkeit genannt werden. Sei es das zerrissene Leder an der Stuhllehne oder der abgesprungene Email von der Dose, das Welken einer Amaryllis oder der Riss in einem Holzsteig, Joan Moreno zeichnete sie selbstlos genau. Moreno hielt Momente vom Seienden ins Gewordene fest, und es scheint als wäre dies eine Hommage an die Ewigkeit in seinen Bildern. »Erst durch das Erfassen des Momentanen werden Empfindungen des Zeitlosen sinnvoll«, sagt Moreno.
Er ist ein Künstler, der sich in seinem Werk sehr nah am Begreifen von Dingen befindet. Er hat sich ihrer angenommen und sie in ihrem wahren Licht naturalistisch wiedergegeben. Sie halten dem Vergleich mit der Wirklichkeit stand, auch wenn dies unnötig ist, da die Stillleben für sich selber sprechen. Sie deuten Stimmungen an, die den aufmerksam gewordenen Betrachter nicht zuletzt durch ihre Arrangements in eine neue innere Beziehung mit dem Objekt wie mit dem Natürlichen führen.
Joan Moreno hat neben seiner individuellen Kunstausübung immer wieder Initiativen begonnen, die der regionalen Kunstszene zugute kamen. So geht die Einrichtung der alljährlichen Veranstaltung »Offene Ateliers« in Gütersloh ursprünglich auf ihn zurück. Er hat wiederholt sein mit künstlerischer Erfahrung verbundenes Können in Volkshochschulkursen weitervermittelt. Seine Werke konnten in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland bestaunt werden. Seine jüngste Initiative läuft unter dem Namen »ÜberformART«, wo er mit einer Gruppe von Künstlern neue Akzente setzen will. Am heutigen Freitag eröffnet die elfköpfige Künstlergruppe um 20 Uhr im »atelierhaus 2 plus« an der Haller Straße in Isselhorst eine Gemeinschaftsausstellung. Geöffnet ist die Galerie samstags und sonntags von 11 bis 14 Uhr.

Artikel vom 17.06.2005