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Bilder-Rätsel:
So klar wie
unergründlich

5. Winkler-Preis an Rosa Loy

Gütersloh (marf). »Eine Bildsprache, die bei aller Klarheit rätselhaft bleibt«, zeichne die Arbeiten der diesjährigen Preisträgerin des Woldemar-Winkler-Preises aus. So begründeten die sieben Juroren die einstimmige Auszeichnung der in Leipzig lebenden Künstlerin Rosa Loy. Eine nur scheinbar widersinnige Wahl der Worte, die man bei der Betrachtung der Werke Loys als sehr treffend anerkennen muss.

Gleichzeitige Klarheit und Rätselhaftigkeit - das mag zwar logisch nicht nachvollziehbar sein, erfahrbar ist es dennoch, in dem Versuch etwa, die Essenz eines Traumes auch im wachen Zustand greifen zu können. »Rosa Loy malt Träume, aber sie illustriert sie nicht«, erläuterte Jurymitglied Sepp Hiekisch-Picard in seiner Laudatio bei der gestrigen Preisverleihung in der Hauptstelle der Gütersloher Sparkasse - die erste Preisvergabe, an der der im vergangenen Jahr verstorbene Namensgeber des Preises, Woldemar Winkler, nicht mehr beteiligt war.
Maltechnisch und thematisch sei Loy zwar weit entfernt von der überbordenden Bildsprache Winklers. Eindeutig sei die Verwandschaft mit Winklers Werk aber im Erlebnis der Betrachtung: »Immer wieder tut sich da eine Welt auf«, so Hiekisch-Picard, »die wir nicht zuordnen können - eine Ortlosigkeit und Zeitlosigkeit«. Eine Bildwirkung, die im Einklang steht mit Winklers erklärter Absicht, »der rationalen Entzauberung der Welt eine künstlerische Antwort zu geben«.
Über die Qualität der Werke, »das Imaginative, Unergründliche und Geheimnisvolle der menschlichen Natur zu ergründen« hinausgehend, wertete die Jury die über Jahre hinaus »konsequent entwickelte Bildersprache« der szenischen Traumverdichtungen als überzeugend.
Der Symbolgehalt der Darstellungen Rosa Loys ist sehr persönlicher und darüber hinaus (als Charakteristikum eines Traumbilds) auch nicht bewusster Natur. Daher sind ihre Doppelgängerinnen-Bilder nicht über den Versuch der Entschlüsselung einzelner Symbole zugänglich. Das in vielen Bildern wiederkehrende, doch in jedem Bild anders dargestellte Frauenpaar zeichnet sich stets durch eine gelassene Selbstverständlichkeit in Ausdruck und Handlung aus. So seltsam diese Handlungen in ihren ebenso seltsamen, unscharfen Welten auch sein mögen, so zeigen sich die Traum-Frauen dessen, was zu tun ist, immer sehr gewiss. Dieselbe Hinnahme des nicht eindeutig Fassbaren als Selbstverständlichkeit, die nicht hinterfragt werden kann, muss sich auch der Betrachter zu eigen machen, wenn er an dieser nicht zu definierenden Bildwelt tatsächlich teilhaben will, anstatt sie verallgemeinernd aus der Distanz leerzudeuten.
Traditionell dem Vorschlag der ausgezeichneten Künstlerin folgend, wurde der fünfte Nachwuchspreis der Woldemar-Winkler-Stiftung seit der ersten Auslobung 1997 an die 1977 in Dresden geborene Künstlerin Henriette Grahnert vergeben - nach Einschätzung von Sepp Hiekisch-Picard »eine Künstlerin mit großem Potential, auf dem Sprung, sich in der internationalen Kunst durchzusetzen«.
Auch die Jury-Beschreibung von Grahnerts Kunst gerät zum Widerspruch in sich, der nur in der Betrachtung des Werkes aufgelöst werden kann. »Sparsam bestückt mit Bildelementen« seien ihre Arbeiten, »und zugleich prallvoll mit all jenen Dingen, die man nicht sieht«. Die Künstlerin selbst bestätigt diese Sichtweise: »Es ist eher das nicht Sichtbare, die Zwischenräume, die Leere, die wirken sollen, wie das Undurchsichtige, Unaussprechliche, das nur spürbar ist.«

Artikel vom 13.06.2005