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(Fast) freie Fahrt für Rollis

Gute Noten für Verl von Casparus Post und Johannes Busche

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Für Casparus Post und Johannes Busche können Stufen zu unüberwindlichen Hindernissen werden, kleine Rinnen, Spalten und Löcher auf Gehwegen zu Fallen, das Bahnfahren zu einem nervenraubenden Abenteuer. Die beiden Verler sind Rollstuhlfahrer und sehen die Welt aus einer etwas anderen Perspektive.

Und aus dieser Sicht sind sie mit ihrer Gemeinde eigentlich »ganz zufrieden«. »Verl ist okay«, sagt Johannes Busche. Ob Einkaufen, Arztbesuche, Friseur, Bank, Apotheken, Ämter, Besuch von Volkshochschule, Bibliothek oder Gaststätten: »Man kommt mit dem Rollstuhl überall hin«, stellt Busche fest und Casparus Post nickt zufrieden. Der 45-jährige gebürtige Niederländer lebt seit 16 Jahren hier, vor zwölf Jahren ereilte den ehemalige Fernfahrer bei einem Unfall sein hartes Los: Seitdem kann er nicht mehr laufen. Nach der langen Zeit in Kliniken und Reha begann für ihn ein neues Leben. Verl hat er immer schon geliebt und nun lernte er die Gemeinde von ihrer behindertenfreundlichen Seite kennen. »Ich komme hier gut zurecht und kann alles problemlos erledigen«, so der Vater einer elfjährigen Tochter.
Das war nicht immer so, weiß der gebürtige Sender Johannes Busche, der schon seit mehr als 40 Jahren behindert ist. Als 13-Jähriger fiel er von einer Eiche und ist seitdem gelähmt. Er hat Zeiten erlebt, in denen seine Frau für ihn zur Bank gehen musste, weil sowohl die Volksbank als auch die Sparkasse nur über eine Treppe zu erreichen war. Beide sind mit neuem Standort behindertengerecht geworden. »Auch am Rathaus ist nachträglich eine Rampe gebaut worden. Heute ist fast alles stufenlos zu erreichen«, freut sich Johannes Busche.
Doch ein paar kleine Wermutstropfen gibt es auch in der Ölbachgemeinde. Im Rathaus endet für Rollstuhlfahrer die Fahrt im Erdgeschoss. »Aber dort sind alle sehr behindertenfreundlich eingestellt«, sagt Johannes Busche, »es kommt sofort jemand aus dem Obergeschoss, wenn man ein Anliegen hat. Und bald wird das Rathaus ja umgebaut und dann werden auch wir Rollifahrer über einen Aufzug überall hin kommen«, freut sich der 55-jährige Uhrmacher. Darauf freuen sich auch Andrea Bartsch, Vertrauensfrau für Behinderte im Rathaus, und die behinderten Mitarbeiter der Verwaltung: »Das neue Rathaus wird behindertengerecht. Das erleichtert vieles«, meint sie.
Das hofft auch Valentina Eckstein von der Kreisverwaltung Gütersloh. Die kleinwüchsige behinderte Frau ist als Sachbearbeiterin der Personalabteilung und seit fünf Jahren vor allem als Behindertenbeauftragte tätig. Sie hat ein besonderes Auge auf öffentliche Gebäude und auch im Kreishaus vieles im Sinne behinderter Menschen bewegt. Bei einer behindertengerechten Bauplanung sei an vieles zu denken, denn Behinderungen könnten sehr unterschiedlich sein. Es gehe nicht nur um Aufzüge. »Wenn zum Beispiel der eine noch Türen öffnen kann, sind sie für den anderen ein unüberwindbares Hindernis«, sagt sie. Dieses Problem stelle sich etwa bei Zwischentüren, die aus Brandschutzgründen eingebaut würden. Im Großen und Ganzen aber sieht Valentina Eckstein die Situation für Behinderte in Verl ähnlich wie Johannes Busche und Casparus Post: »Es ist alles sehr unproblematisch.«
Nicht alles, wie die beiden Verler Rollstuhlfahrer anmerken, und dabei haben sie Stellen mit grobem Pflaster im Auge. Für sie ist es sehr beschwerlich, sich darauf fortzubewegen. »Dass auf dem Bürmannplatz an der Kirche ein rustikales Pflaster liegt, ist ja okay«, meint Johannes Busche. Aber wenn es heute vor öffentlichen Gebäuden verlegt wird, finden die beiden Rollstuhlfahrer das gar nicht gut. »Der Eingang der Kreissparkasse ist so ein Bereich. Da muss ich höllisch aufpassen, dass ich mit den kleinen Rädern nicht in die Fugen komme«, klagt Casparus Post. »Es ist für einen Rollstuhlfahrer in Verl so ziemlich mit das schwierigste Pflaster«.
Außerdem haben die beiden Verler auf dem dortigen Parkplatz immer wieder Probleme, einen Stellplatz zu finden. Busche: »Die Leute stellen sich einfach auf die Behindertenparkplätze. Und wenn man sie anspricht, sagen sie nur: Es dauert doch nur zwei Minuten.«

Artikel vom 11.06.2005