11.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Pfarrer Rolf Bürgers

Das Wort zum Sonntag


Alles wird teurer, und seit der Euro-Einführung haben wir uns an große Beträge gewöhnt: Eine Digitalkamera, die etwas taugen soll, kostet nun einmal mehrere hundert Euro, und ein Computer mit dem notwendigen Zubehör kommt selbst bei Aldi auf tausend Euro. Ein Essen im Restaurant für zwei Personen kostet leicht fünfzig Euro oder mehr. Und ein Blick auf die Kreditkarten-Abrechnung zeigt mir, dass ich besser verdränge, was mich das Autofahren kostet. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind gefangen in den Gesetzmäßigkeiten unserer Konsumgesellschaft.
Da macht es schon nachdenklich, wenn man auf dem Kirchentag in Hannover hört, dass in vielen Ländern schon Kleinstkredite von 50 bis 100 Euro ein wirklich entscheidender Anstoß zur Existenzgründung sein können. Oft sind es in den Entwicklungsländern die Frauen, die das Rückgrat der so genannten informellen Wirtschaft bilden. Da macht schon eine kleine Summe den Unterschied zwischen Abhängigkeit und selbst bestimmtem Arbeitsleben aus. Sie ermöglicht es, Textilien zu produzieren, Wohnungen zu bauen oder Lebensmittel zu vermarkten.
Die Motivation, den Fleiß und die Genügsamkeit der vielen kleinen Händlerinnen und Produzenten in Estland, den Philippinen und Indien, in Kenia, Tansania und Brasilien und in vielen anderen Ländern kann man nur bewundern.
Leider sehen das die meisten Banken anders: Kleinunternehmer sind für sie uninteressant und nicht kreditwürdig. Wie gut, dass es Nichtregierungsorganisationen gibt, die Kleinstkredite vergeben und Kleinunternehmer unterstützen. Sie zahlen richtige Darlehn, aber zu fairen Bedingungen und in Größenordnungen, mit denen kleine Handwerker etwas anfangen können. So bieten sie eine echte Alternative zum globalen Kapitalismus, in dem nur zählt, was sich rechnet, und wo nur der noch mehr verdienen kann, der schon hat.
Als Christen und Bürger, als Kirchengemeinden und Kommune können wir ganz praktisch dazu beitragen, eine gerechtere Perspektive in das Wirtschaften in unserer »Einen Welt« einzutragen. Warum nicht einen Teil unseres Geldes bei »Oikocredit« anlegen und auf diese Weise Entwicklung fördern? Diese ökumenische Entwicklungsgenossenschaft ist der einzige Investmentfonds in Deutschland, der sein Geld gezielt nach ethischen Kriterien in den armen Ländern anlegt.
»Wenn dich dein Kind morgen fragtÉ« so lautete das Motto des Kirchentages. Es hat uns angeregt, darüber nachzudenken, welche Wertvorstellungen und Traditionen wir an unsere Nachkommen weitergeben wollen. Auch Menschen aus Löhne haben sich in Hannover Gedanken darüber gemacht, was wichtig ist im Leben und Glauben. Das Thema Geld und Geldanlage gehört dazu. Jedes Pfarramt wird Ihnen gerne Auskunft über Oikocredit geben, damit sie später um Antworten nicht verlegen sind...

Artikel vom 11.06.2005