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Zuwenig Leute für Missbrauchs-Kontrolle

Zu viele Hartz-IV-Fälle - Mitarbeiter haben kaum Zeit für Detektiv-Arbeit - Brandner zu Gast

Von Stefan Küppers (Text und Foto)
Halle (WB). Die jüngsten Forderungen von Bundesminister Wolfgang Clement (SPD) rung nach schärferen Kontrollen von Leistungsmissbrauch beim Arbeitslosengeld II sind in Halle bis auf weiteres nicht umsetzbar. Grund dafür ist die völlige Überlastung der Sachbearbeiter, die mit einer unerwartet hohen Zahl von Fällen zu tun haben.

Für Halle waren im Vorjahr von 496 ALG-II-Fälle prognostiziert worden. Tatsächlich sind es 810 Fälle geworden (plus 60 Prozent!). In rund 60 Fällen wurde die ALG-II-Gewährung abgelehnt, viel weniger als erwartet. Wilhelm Mußmann von der zuständigen Abteilung im Rathaus II an der Graebestraße räumt ein, dass bei einer genaueren Durchleuchtung der ALG-II-Anträge und auch Hausbesuchen wohl wesentlich mehr unberechtigte Leistungsempfänger ausfindig gemacht werden könnten. Doch dazu fehlen einfach die Leute. Erst recht gebe es kein Personal, so Mußmann, um etwa die geforderten Hartz-Detektive für Hausbesuche, die möglichst zu zweit agieren sollen, stellen zu können.
Um die verbleibenden 750 Fälle kümmern sich in Halle derzeit fünf Mitarbeiter (4,5 Stellen). Obwohl darunter bereits ein Mitarbeiter mehr ist, den die Stadt Halle kurzfristig eingestellt hat, sowie demnächst zusätzlich ein fertig gelernter Auszubildener dem Bereich zugeordnet werden soll, ist der Vielzahl der Fälle kaum Herr zu werden. Damit die Leute überhaupt rechtzeitig ihr Geld bekommen, muss die Anlaufstelle an der Graebestraße mittwochs und donnerstags vormittags für den Publikumsverkehr geschlossen werden. Nur so können Aktenberge weggearbeitet werden. Auch die Fallmanager, die eigentlich ganz andere Aufgaben haben, müssen etwa ein Viertel ihrer Arbeitszeit für die Sicherstellung der Geldleistungen aufwenden. Ansonsten gibt es in Halle in 20 bis 25 Prozent der Fälle (also bei mindestens 150 Bedarfsgemeinschaften) Hinweise darauf, dass sie zu hohe Unterkunftskosten haben, also mit Kürzungen oder gar Umzügen rechnen müssen.
Über die Lage an der Hartz-IV-Front vor Ort informierte sich gestern der Gütersloher SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Brandner in Halle. Obwohl noch völlig unklar ist, ob und wieviel die Stadt für die Hartz-IV-Kosten noch nachfinanzieren muss - hier wird frühestens Anfang Oktober Klarheit herrschen -, hörte Brandner die erfreuliche Mitteilung, dass die Gewerbesteuer in der Lindenstadt 2005 offenbar wieder kräftiger sprudelt. Zehn Millionen Euro Einnahmen waren eingeplant, rund 800 000 Euro mehr dürften es werden.
Damit die Probleme bei der Finanzierung der Hartz-IV-Arbeit erleichtert werden, ermunterte Brandner zu einer flexibleren Nutzung der Haushaltsansätze. Er sprach sich außerdem dafür aus, dass von den Behörden ihre Ermessensspielräume insbesondere bei den Unterkunftskosten im Sinne der ALG-II-Empfänger genutzt werden. Schließlich appellierte er an die »Unternehmenskultur im gesamten Kreis Gütersloh«, dass mehr Arbeitsplätze auch für gering Qualifizierte bereit gehalten werden.

Artikel vom 10.06.2005