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Spurfest und ohne Angst vorm Laster

22-jährige Hallerin beginnt Ausbildung zur Kfz-Systemmechanikerin für Nutzfahrzeuge

Von Dunja Henkenjohann
Werther (WB). Wer die Spur hält und sich von seinem Weg nicht abbringen lässt, erreicht sein Ziel. Nicht nur diese Erfahrung verbindet Thomas Sander und Jennifer Baydacz. Der Existenzgründer und die Schülerin haben vor wenigen Tagen ihren Vertrag perfekt gemacht: Am 1. August 2005 beginnt die 22-Jährige bei der Thomas Sander Nutzfahrzeuge GmbH in Werther eine Ausbildung zur Kfz-Systemmechanikerin für Nutzfahrzeuge.

60 bis 70 Bewerbungen hat Jennifer Baydacz in den vergangenen Jahren geschrieben, zahlreiche Praktika hat sie absolviert. Doch einen Ausbildungsplatz konnte ihr keine Firma bieten. Dass sie an der Situation nicht ganz unschuldig ist, darüber ist sich die Hallerin durchaus im klaren: »Ich habe auf der Realschule geschludert, deswegen habe ich leider nur den Hauptschulabschluss«, sagt sie.
Doch die junge Frau hat aufgeholt: Derzeit macht sie am Berufskolleg Halle ihr Berufsgrundschuljahr für Kfz-Technik, hat das erste Halbjahr als Klassenbeste mit einem Durchschnitt von 2,2 abgeschlossen.
Auch wenn technische Berufe für Frauen nach wie vor ungewöhnlich sind, ist sich Jennifer Baydacz sicher, das Richtige zu tun. Umso verärgerter ist sie darüber, dass sie auf zahlreiche Bewerbungen gar keine Antwort bekommen hat. »Wenn mir Betriebe nach nur drei Tagen eine Absage schicken, drängt sich der Verdacht aufdass sie keine Frau wollen«, sagt die Schülerin. Manche Firmeninhaber haben ihr das sogar ins Gesicht gesagt. »Frauen müssen ihre Fähigkeiten in diesem Beruf eben noch mehr unter Beweis stellen«, sagt Jennifer. Doch sie weiß auch: »Man darf sich als Frau nicht herumschubsen lassen.«
Thomas Sander, der sich im Februar dieses Jahres im Gewerbegebiet selbständig gemacht hat, ist von seiner ehemaligen Praktikantin überzeugt: »Jenny ist außergewöhnlich hoch motiviert«, betont der 45-Jährige, der außerdem zwei Gesellen beschäftigt. Der Bielefelder weiß, was es heißt, hartnäckig zu sein. Drei Mal durfte er als Angestellter wegen der schlechten Auftragslage seinen Hut nehmen. Und das, obwohl er weit und breit wohl der einzige ist, der drei Meistertitel hat: »Ich bin Karosseriemeister, Fahrzeugbaumeister und Fahrzeugtechnikmeister«, nennt Sander die lange Reihe von Qualifikationen.
Als Thomas Sander wieder arbeitslos wurde, hat er Ende 2004 ein Konzept erarbeitet und sich am Esch 15 selbständig gemacht. Die »Thomas Sander Nutzfahrzeuge GmbH« ist eine freie Werkstatt, die neben Nutzfahrzeugen wie Lkw auch Pkw oder Oldtimer auf Vordermann bringt.
Im Augenblick sei er mit dem Geschäft sehr zufrieden, sagt der dreifache Meister über seinen Betrieb. Als Auszubildende sei Jennifer Baydacz genau die Richtige, das habe sie während ihres zweiwöchigen Praktikums unter Beweis gestellt, lobt Sander. »Sogar aus Wilhelmshaven oder Wuppertal habe ich Bewerbungen für den Ausbildungsplatz bekommen - doch da war nichts dabei«, betont der Existenzgründer.

Artikel vom 13.06.2005