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Vom Mäusequartier zur Idylle in Bokel

Vor 25 Jahren sind die ersten Kinder mit Betreuern auf dem Laibach-Hof eingezogen

Von Klaudia Genuit-Thiessen
Halle-Bokel (WB). Als die ersten sieben Seelenpflege-bedürftigen Kinder auf dem Hof Stodiek einzogen, war er ein Mäusequartier. 25 Jahre später ist die Idylle nahezu perfekt. Der Laibach-Hof ist (wieder) eine ländliche Schönheit.

Ganz im Sinne der Waldorf-Pädagogik sind die ersten sieben Kinder im Sommer 1980 mit Leier- und Flötenklängen in die »Villa« gezogen, mit ihnen die Familien, die sie betreut haben. Angelika Gräf, die im dreiköpfigen Vorstand für die pädagogische Leitung verantwortlich ist (Uwe Beintmann ist Geschäftsführer, die Eltern stellen ein drittes Vorstandsmitglied) erinnert sich noch gut an die verwilderte Hofstelle, wo die Kinder der Bielefelder Sonnenhellweg-Schule einen Heimplatz fanden.
Vor 24 Jahren kam die Heilpädagogin aus Kassel nach Bokel - ein Jahr nachdem Lisa Stodiek (»eine wunderbare alte Dame«) ihren Traum von einer sozialen Einrichtung auf dem Hof ihrer Familie verwirklicht sah, jedenfalls in den Anfängen. Es gab Mäuse in der Küche, Gülle im Keller, ein schnaubendes Pferd im Sandkasten und einen versandeten Brunnen. Und es gab Menschen voller Idealismus und viele andere, die sie über die Jahre hinweg unterstützten, Gelder aus der Stiftung Wohlfahrtspflege und der Aktion Mensch. Aus dem Sonnenhellweg-Hof wurde das Sonnenhellweg-Heim und im Sommer 1990 schließlich der eigenständige Laibach-Hof.
Im ehemaligen Hofgebäude öffnete eine zweite Kindergruppe. Der Schweinestall wurde zum Therapiehaus umgebaut. Die »Villa« wurde renoviert, das Hühnerhaus zu einer kleinen Mitarbeiterwohnung und der Garten zu einem blühenden Paradies. Die Handwerker waren Dauergäste: Als 1999 die ersten jungen Erwachsenen für drei Jahre in die Außenwohngruppe nach Hesselteich zogen, wurde das Haupthaus umgebaut, schließlich der Schafstall aus dem Jahr 1576 mit dem alten Backofen wieder aufgebaut und eingeweiht. Der ist noch älter als der Hof selbst, der schon 1618 den Ausbruch des 30-jährigen Krieges erlebt hat.
Heute leben nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und junge Erwachsene auf dem Laibach-Hof. 28 Plätze gibt es in vier Gruppen für die sechs- bis 25-jährigen Bewohner - und insgesamt 42 Betreuer. 20 pädagogische Mitarbeiter sind darunter, Erzieher und Heilpädagogen, Altenpfleger, Krankenschwestern, eine Ergotherapeutin und zwei Azubis.
Als Angelika Gräf als Aushilfe nach Bokel kam, wollte sie eigentlich nur eine Weile bleiben. Doch »das Jahr ist ziemlich lang geworden«, scherzt die Pädagogin, die weiß, das es »Orte gibt, wo man hingehört und wo man mit den Aufgaben wächst«.
Gut 70 behinderte Kinder hat sie in dieser Zeit kommen und Jahre später wieder gehen gesehen. Jetzt ist der Laibach-Hof auf der Suche nach einer »Außenstelle« in Halle. Für junge Menschen, die auf ein betreutes Wohnen zugehen, soll »in der Stadt« eine Trainingsgruppe eröffnet werden.

Artikel vom 08.06.2005