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»Ihr schafft das nie - Das spornt gerade an«

Heute im Gespräch: Marianne Thomann-Stahl, Minden

Bielefeld (WB). Marianne Thomann-Stahl, FDP-Fraktionsgeschäftsführerin im Landtag, sitzt als einzige Frau aus der Region bei den Koalitionsgesprächen von CDU und FDP mit am Tisch. Fragen an die Mindenerin und ehemalige Paderbornerin von Reinhard Brockmann:Marianne Thomann-Stahl (links) führt mit Ingo Wolf und Andreas Pinkwart die Düsseldorfer Koalitionsgespräche für die FDP mit der CDU.

Nach 15 Jahren Opposition haben Sie jetzt seit 14 Tagen eine ganz neue Aufgabe. Weicht der Siegestaumel unter dem Druck der neuen Verantwortung?Thomann-Stahl: Verantwortung haben wir immer schon getragen, dennoch ist es etwas anderes, wenn wir jetzt für fünf bis zehn Jahre planen. Daraus resultieren viele Entscheidungen, die wir früher nicht so getroffen hätten, wie wir sie heute treffen.

Sitzungen sind für Politiker Tagesgeschäft, was ist das Besondere an Koalitionsverhandlungen? Thomann-Stahl: Hier geht es darum, dass wir uns erst eimal kennen lernen und Vertrauen aufbauen. Daraus ergeben sich dann auch Herangehensweisen an die konkreten Themen, die man in anderen Sitzungen in dieser Form nicht hat. Ein Beispiel: Wenn wir heute etwas bewegen wollen, muss jetzt der zukünftige Finanzminister erst mal prüfen, ob das geht. Früher wurde die Finanzierungsfrage zwar auch gestellt, aber wir kannten die Finanzsituation nicht so genau und hatten auch keinen Zugang zu den exakten Daten. Wir waren auf Informationen angewiesen, die wir von anderen bekommen haben.
Bei Rot-Grün, der künftigen Opposition, hören wir bereits klammheimliche Freude: Sieh' da, Schwarz-gelb kann auch nur mit Wasser kochen.Thomann-Stahl: Eine Kollegin von den Grünen hat mir ganz offen gesagt: »Ihr schafft es nie, mit der Situation fertig zu werden, die wir Euch hinterlassen haben.«

Das macht Mut!Thomann-Stahl: Natürlich werden wir das schaffen, aber es wird nicht leicht sein.Alle zwölf Unterhändler haben sich strengstes Stillschweigen auferlegt. Dürfen Sie uns trotzdem verraten, ob auch mal gelacht oder gezankt wird? Thomann-Stahl: Das ist wie im wirklichen Leben. Man hat viel miteinander gemeinsam und alle, die um den Tisch herumsitzen, haben Gottseidank auch Humor. Aber jede Seite weiß auch, was sie will. Und ab und zu macht die eine der anderen Seite klar, dass man ihr bestimmte Dinge einfach nicht zumuten kann.

Wird auch über Personalien gesprochen?Thomann-Stahl: Wenn die Sachfragen und die Ressortzuschnitte erledigt sind, kommen die Personalfragen.

Wie oft sind sie schon gefragt worden, ob sie Wirtschaftsministerin werden?Thomann-Stahl: (lacht) Noch kein einziges Mal.

Wir meinen: nicht von Jürgen Rüttgers oder Ingo Wolf gefragt, sondern von Mitarbeitern und Öffentlichkeit.Thomann-Stahl: Denen sage ich immer: Erst kommen die Sachfragen, dann die Ressortzuschnitte und dann die Personalfragen.

Artikel vom 06.06.2005