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Das Leben für die Nachwelt festhalten

Großes Interesse bei Veranstaltung des DRK-Senioren-Büros und der Altentagesstätte


Espelkamp (WB). Die Lebensgeschichte festhalten wollen viele Menschen für sich, ihre Kinder oder Verwandte. Wie das geht, konnten jetzt interessierte Senioren hautnah erleben. Denn das DRK-Senioren-Büro und die Altentagesstätte der Diakonie im Bürgerhaus in Espelkamp hatten Referent Michael Osterhoff eingeladen, der zum Thema »Die eigene Lebensgeschichte festhalten« informierte.
Osterhoff, Kulturwissenschaftler und Fotograf, hat im August 2004 die Firma Biographica-Produktionen gegründet und sich auf die Produktion persönlicher Videobiographien spezialisiert. Er stellte in Espelkamp sein Konzept vor und erklärte, wie er einen Gesprächsleitfaden für die jeweilige Lebensgeschichte entwickelt, um Dokumente zu strukturieren.
Die Gesprächspartner erzählen zunächst chronologisch ihr Leben »von der Geburt bis heute«. In einem zweiten Schritt geht es um Abneigungen und Vorlieben, zum Beispiel ob lieber Tee oder Kaffee getrunken wird, wie sich der eigene Charakter im Laufe der Zeit verändert hat, um die Ansichten zu Erziehungsfragen, den eigenen Egoismus oder auch die Freiheit. Schließlich sollen die Interviewpartner erzählen, wie sie sich die Zukunft vorstellen oder wünschen.
Die erzählte Lebensgeschichte wird gefilmt und auf ein 60- bis 90-minütiges Video oder eine DVD gebannt. Dieses Werk beinhaltet neben dem Erzählten auch Dokumente, Bilder oder auch Zeichnungen, manchmal mit der Lieblingsmusik untermalt. Auch ein gemeinsamer Besuch an besonderen Orten oder Plätzen kann eingefügt werden. So hat der Biograph nicht nur stundenlang Interviews geführt, sondern hat auch Familienfeiern gefilmt oder ist mit den Hauptdarstellern zu Orten der Kindheit gereist.
Manchmal sind es Einzelpersonen, die ihre Lebensgeschichte filmen lassen, manchmal auch Ehepaare oder Geschwister. Vor kurzem habe ein Unternehmen angefragt, das die über 200-jährige Firmengeschichte festhalten lassen möchte, berichtete der Referent. Auftraggeber zu einem Biographiefilm seien oft Kinder, die nach einem besonderen Geschenk suchen und gerne selbst die Familiengeschichte festhalten möchten, erklärte Osterhoff.
Zwei bis drei Tage braucht es im Durchschnitt, bis der Kulturwissenschaftler und Fotograf genug Material für seinen Biographiefilm zusammen hat. 20 Tage dauert seine Arbeit zur Zusammenstellung des Films insgesamt.
Die Reminiszenz über das eigene Leben kann gesellschaftlich wie persönlich eine Vielzahl von positiven Nebeneffekten haben, berichtete Osterhoff: Sie kann in erster Linie Klarheiten über das eigene Leben verschaffen, Kompetenzen aufzeigen und Lebenslügen beseitigen. Der Film ist eine autobiographische Arbeit und keine reine Dokumentation und geschichtliche Aufarbeitung. Trotzdem werden Familienmitglieder nachfolgender Generationen entweder durch den direkten Kontakt mit dem Familienmitglied oder aber durch das Abspielen eines Biographiefilms die Möglichkeit bekommen, ein geordnetes Bild über geschichtliche Beziehungen ihrer Familie zu erhalten, an die Quelle familiärer Lebenshilfen erinnert zu werden und an den Weisheiten der Vorfahren zu partizipieren.
Die Senioren verfolgten den Vortrag mit viel Interesse und nutzten die Gelegenheit zu weiteren Fragen. Der Referent gab auch Tipps zur eigenen Zusammenstellung einer Biographie. Unter den Besuchern befanden sich auch Mitarbeiter von verschiedenen Pflegeeinrichtungen, die sich diese Art Biographiearbeit für manche betreute Person gewünscht hätten, um nach der Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung noch besser auf die Bewohner, mit all ihren Vorlieben und Abneigungen, eingehen zu können. Auch als eine Art Patientenverfügung könnte der Bereich des Films mit dem Thema »Blick in die Zukunft« genutzt werden.
Viele der Besucher bedauerten, dass sie selbst von ihren Eltern und Großeltern keine Lebensgeschichte in schriftlicher Form oder einen Film haben. Der Nachmittag motivierte sie dazu, über die eigene Lebensgeschichte nachzudenken und das Festhalten dieser in irgendeiner Form für die Nachfahren zu ermöglichen.
Weitere Informationen zum Thema erteilt Doris Pick im DRK-Senioren-Büro, Tel. 0 57 72 /9 95 39.

Artikel vom 03.06.2005