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In 90 Minuten zum neuen Kniegelenk

Höxteraner St. Ansgar Krankenhaus setzt bei Operation neues Navigationsgerät ein

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Immer mehr Autofahrer werden von Navigationssystemen ans Ziel gebracht. Doch auch Ärzte profitieren von der modernen Computertechnik. Das St. Ansgar Krankenhaus in Höxter verfügt seit einigen Wochen über ein Knie-Navigationsgerät. Jetzt tauschte Chefarzt Dr. Heiner Gellhaus mit Hilfe dieses Computers schon das 30. Kniegelenk gegen eine Prothese aus. Das WESTFALEN-BLATT war im Operationssaal.

Viel Jahre hat sich Arnold Wächter aus Brenkhausen, dessen rechtes Knie unter Verschleiß leidet, mit seinen Schmerzen herumgeplagt. Der 72-Jährige hat sich nun dazu entschlossen, das komplette Gelenk durch eine Prothese austauschen zu lassen. Dank der modernen Technik, die das Krankenhaus fast 100 000 Euro gekostet hat, wird dies mit besonderer Präzision geschehen. »Mit dem System kann man die Genauigkeit an der Knieprothese verbessern. Dadurch ist eine höhere Lebenserwartung des Implantats möglich«, erklärt Operateur Gellhaus.
Das besondere an dem Navigationssystem ist, dass jede beliebige Knieprothese damit eingebaut werden kann. »Damit ist gewährleistet, dass die Technik weiteren Entwicklungen im Bereich Prothesen Schritt halten kann«, sagt der Chefarzt.
Der Patient befindet sich schon im tiefen Narkoseschlaf, als Dr. Gellhaus am frühen Morgen den OP-Saal 1 des Krankenhauses betritt. Gellhaus ist Chef der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie im St. Ansgar Krankenhaus und wird an diesem Morgen die Knie-Navigation durchführen.
Mit großer Sorgfalt wird das rechte Bein desinfiziert und für die Operation vorbereitet. Der Anästhesist Dr. Mirko Josch überwacht die Narkose des Patienten, während Dr. Gellhaus zum ersten Schnitt ansetzt. »Das geschieht völlig ohne Blut, da eine Manschette am Oberschenkel den Fluss stoppt«, berichtet OP-Schwester Izabela Adamiec. Nach dem Öffnen der Gelenkkapsel sieht der Operateur das komplette Ausmaß der Zerstörung. Gellhaus: »Das Kreuzband und der Meniskus sind durch die Arthrose, den Verschleiß, nur noch in Resten vorhanden.«
Jetzt werden am Knie so genannte »Tracker« befestigt -Êdas sind Impulsgeber, die per Infrarot sämtliche Informationen über das Knie an den Computer weiterleiten. Mit einem »Pointer« werden drahtlos zusätzliche Messpunkte an den Rechner geliefert. In wenigen Sekunden wird aus diesen Daten alle für die Operation wichtigen Werte und Größen des Beins berechnet und anschließend festgelegt, wie der Operateur den Knochenschnitt führen muss. »Bislang hat man dazu das eigene Augenmaß und Ausrichtstäbe benötigt, um die Beinachse festzulegen. Das ist etwas unsicher. Mit der Knie-Navigation hat man viele Möglichkeiten, genau nachzumessen«, sagt der 44-jährige Operateur.
Im Sekundentakt wechselt Heiner Gellhaus die medizinischen Instrumente wie Bohrmaschine, Säge und Hammer, um die Knochen für die Probeprothese anzupassen. Die Arbeit im Team funktioniert nahezu wortlos. Jeder Griff und jede Handreichung von Oberarzt Falk Petersen, Assistent Nader Rafraf sowie den OP-Schwestern Patricia Bonnenfant und Izabela Adamiec sitzt. Es herrscht größte Aufmerksamkeit, besondere Sorgfalt im Bezug auf Sterilität und Disziplin. Von Hektik ist keine Spur -Êdie Narkose kann schließlich jederzeit der Operationsdauer angepasst werden.
Nach eineinhalb Stunden ist es geschafft: Der Patient verfügt über ein neues Gelenk, und das frisch operierte Knie ist zugenäht und verbunden. Nur wenige Minuten später wacht Arnold Wächter aus der Narkose auf. Schon einen Tag später beginnt die Krankengymnastik und zwei Tage nach der OP kann er zum ersten Mal das Bein wieder voll belasten und auftreten. Die Wunden werden noch einige Zeit für Schmerzen sorgen, doch danach - so erwartet Chefarzt Dr. Gellhaus -Êbeginnt für den Rentner aus Brenkhausen endlich ein beschwerdefreies Leben.

Artikel vom 03.06.2005