02.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit Gefühl gegen Gewalt

Grundschule Kaunitz trainiert das friedliche Miteinander

Verl-Kaunitz (köh). Früh übt sich, wer ein friedlicher Mensch sein will. Das meinen auch Eltern aus Kaunitz und haben in ihrer Grundschule die Arbeitsgemeinschaft »Bündnis für Erziehung« ins Leben gerufen. Jeden Mittwoch kommen sie mit den Kindern der Klasse 2a in der Turnhalle zu einem Anti-Gewalt-Training zusammen.

Seit Sommer vorigen Jahres lernen die Kinder in dem Projekt spielerisch, sich ihrer Gefühle bewusst zu werden, die kleine Gewalt im Schulalltag beim Namen zu nennen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. »Wir sind mit dem Training sehr zufrieden«, freuen sich Heinrich Hermwille und Jürgen Siebel.
Die beiden an der evangelischen Gewaltakademie Villigst ausgebildeten »Deeskalationstrainer« haben in der Arbeitsgemeinschaft die Fäden in der Hand. Ihr Fazit schon nach wenigen Monaten: »Man spürt, dass es ruhiger wird in der Gruppe.« Anfangs seien die Kinder noch zurückhaltend und unkonzentriert gewesen, aber mittlerweile hätten sie sich doch geöffnet, seien sehr interessiert und nähmen die Trainingsstunden ernst.
Was Training heißt, ist eigentlich ein Spiel: Mit dem Lied »Kommt lasst uns Freunde sein« beginnt der Morgen und dann folgt viel Bewegung: Zum Warmwerden laufen die Zweitklässler kreuz und quer durch die Halle und bemühen sich ausdrucksstark die Gefühle zu zeigen, die sie gerade bewegen. Dann folgt eine zentrale Aktion, etwa ein Bootspiel oder die beliebte Pyramide, bei der sich die Kinder mit großem Hallo übereinander legen und hinterher genau schildern, wie sie sich dabei gefühlt haben. »Diese Spiele fördern das Gemeinschaftsgefühl«, erklärt Jürgen Siebel. Wenn sich die Kinder übereinander legten, müsse Rücksicht genommen und mögliche unwillkommene Nähe und Enge ertragen werden.
Manchmal wird der Trainingsmorgen auch zum Ort einer Konfliktlösung. »Wenn ein Kind einem anderen mit Worten oder Taten Schmerz zugefügt hat, bilden wir einen Kreis, beide müssen in die Mitte und sich aussprechen. Dann ist auch schon mal eine Entschuldigung fällig«, berichtet Heinrich Hermwille. Diese Maßnahme zeigt Wirkung, wie Jürgen Siebel betont: »Wir müssen immer seltener Kinder in den Kreis holen.«
Das Anti-Gewalt-Training ergänzt das bereits erfolgreich praktizierte Programm zur Streitschlichtung. »Schon seit drei Jahren haben wir als einzige Grundschule in Verl Streitschlichter. Diese Aufgabe übernehmen die Kinder aus dem dritten Schuljahr«, erzählt Schulleiter Martin Jennen. Die Einrichtung habe sich bewährt. Und das Anti-Gewalt-Training im zweiten Schuljahr sei dazu eine gute Vorbereitung. Zufrieden ist er auch mit der Unterstützung durch die Elternschaft: »Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist wunderbar.« Das meinen auch Jürgen Siebel und Heinrich Hermwille, würden sich aber freuen, »wenn noch einige Eltern mehr in der Arbeitsgemeinschaft mitmachen«. Siebel: »Wir sind zurzeit acht und alle berufstätig, und das Programm kostet viel Zeit.«
Entstanden ist die AG aus einer Auftaktveranstaltung mit Pastor Hans-Jörg Rosenstock und Carl-Wilhelm Borgstedt von der Kreispolizei im Sommer 2004 in Kaunitz. Insgesamt arbeiten 16 Schulen im Kreis Gütersloh mit dem Projekt, das von Lehramtskandidaten wissenschaftlich begleitet und ausgewertet wird.

Artikel vom 02.06.2005