10.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Lesefreude entsteht
schon im Elternhaus

Cornelia Franz las in der Realschule


Beverungen (WB). Autorin Cornelia Franz war zu Gast in der Realschule Beverungen. Sie las aus zweien ihrer Werke und stellte sich anschließend den Fragen der Schüler des Jahrgangs acht.
Gegenwärtig lesen die Achtklässler ihr Buch »Der Verrat«.
Der 17-jährige Jan reißt von zu Hause aus, denn er ist einem Familiengeheimnis auf die Spur gekommen. Die Druckerei, welche der Familie Wohlstand brachte, war Eigentum eines Juden, der vor den Nazis nach Israel geflohen war. Formal besitzt Jans Familie das Unternehmen, aber der jüdische Vorbesitzer wurde nicht annähernd angemessen entschädigt. Jans Familie »mauert«, wenn es um dieses Thema geht. Beim Trampen lernt Jan Sunny kennen, in die er sich verliebt.
Zwei Erzählstränge sind einander verwoben, die Liebesgeschichte und die Vorgeschichte, die mit der zweifelhaften Herkunft des Familienbesitzes und damit mit dem Thema »Schuld« zu tun hat.
Die wechselnden Erzählperspektiven entsprechen den beiden Erzählsträngen und sind für junge Leser zunächst gewöhnungsedürftig, lohnen aber die Mühe des Lesens. Die Autorin bietet keine Lösung an. Das Buch fordert zum Weiterdenken und Diskutieren heraus.
Die Autorin las einige Textauszüge und stellte sich den Fragen der Schüler. Für diese stellte sich die Frage, warum es kein »Happy end« gebe. Die Autorin konnte dazu ihren Standpunkt deutlich machen. Im Hinblick auf die Schuld der Familie und ihre weitere Zukunft könne es »die« Lösung nicht geben. Auch passten Jan und Sunny nicht gut zueinander, aber durch das offene Ende sei noch eine Chance für beide vorhanden.
Großes Interesse zeigte sich in Schülerfragen nach dem realen Vorbild der Hauptpersonen. Cornelia Franke gab an, in der Person von Sunny stecke wohl einiges von ihr als Jugendlicher. Ansonsten sei ein Schriftsteller - wie jeder andere Mensch - vielen Eindrücken ausgesetzt. Das sei der Hintergrund, auf dem irgendwann bestimmte Themen und Personen entstünden. Sie schreibe wie sie lese, also selber gespannt, wie ihre Geschichten sich während des Schreibens entwickelten.
Wenn man schon einmal einen Schriftsteller vor sich hat, ergeben sch auch ganz lebenspraktische Fragen. So wurde Cornelia Franz gefragt, ob man vom Schreiben leben könne und wie sie Schriftstellerin geworden sei. Frau Franz schrieb ihr erstes Buch mit 35 Jahren. Inzwischen seien 22 Bücher von ihr erschienen. Das neueste, »Die Kinder vom Drachental«, kommt im Januar 2006 heraus.
Die Lesung der Autorin Cornelia Franz wurde in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Bödecker-Kreis NRW durchgeführt. Die Lesung wurde also mit Mitteln des Ministeriums für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW gefördert. Einen Teil des Honorars trug der Förderverein der Realschule. So konnte der Beitrag der teilnehmenden Schüler sehr gering gehalten werden.
Lesefreude zu vermitteln, das ist gar nicht so leicht angesichts der großen Konkurrenz von Medien, die sich viel leichter konsumieren lassen. Einen Schriftsteller kennen zu lernen, kann dazu einen kleinen Beitrag leisten. Lesefreude, so ist es mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, entsteht in erster Linie durch das Vorbild des Elternhauses. Werden dort Bücher wertgeschätzt, überträgt sich das auf die heranwachsende Generation.
Die Lesung der Autorin Cornelia Franz mag die SAchüler neugierig gemacht haben und ihre anderen Bücher, vor allem das vor kurzem erschienene Jugendbuch »Sechs Tage, vier Nächte«. Die Freude am Lesen speist sich aus mehreren Quellen. Die Realschule versucht, ihre Beitrag dazu zu leisten, nicht zuletzt durch eine Autorenlesung alle drei Jahre.

Artikel vom 10.06.2005