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Viel Spaß mit dem Apfeldurchlöcherer

Zehntklässler der Realschule Rietberg führen im Schiller-Jahr Persiflage »Willi Tell« auf

Von Meike Oblau
Rietberg (WB). Die Realschule Rietberg »schillert« - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der Theaterkursus der Jahrrgangsstufe 10 führt am Donnerstag, 2. Juni, und Freitag, 3. Juni, jeweils um 19.30 Uhr die Schiller-Persiflage »Willi Tell« auf. Dem WESTFALEN-BLATT gewährten die Schüler einen Blick hinter die Kulissen.

Im Schiller-Gedenkjahr lag es für den Theaterkurs der 10. Klasse nahe, sich mit dem großen deutschen Dramatiker zu beschäftigen. Doch schon der Titel verrät, dass hier nicht einfach ein »normales« Schiller - Stück aufgeführt wird: In »Willi Tell« von Claus-Hinrich Müller wird die Sage von dem Schweizer Nationalhelden »gegen den Strich gebürstet«. Und wie schafft es ein Lehrer wie Burkhard Ernst nun, seinen Schülern ausgerechnet Schiller näher zu bringen? Des Rätsels Lösung: Ernst schafft es mit ganz viel Spaß. Denn natürlich führen die Zehntklässler keineswegs den Original-»Tell« auf. »Im Internet habe ich eine ganz tolle Quelle für Schülertheaterstücke aufgetan. Dort habe ich auch den Willi Tell entdeckt«, schildert Ernst. Denn Wilhelm Tell, populärster Held aller Schiller-Dramen, der »Apfel-Durchlöcherer« und Schweiz-Befreier, ist ja gar nicht so. Aber wie ist er dann? Das versuchen die Schüler mit ihren Mitteln herauszufinden. Und dabei spielen sie zunächst einmal quasi sich selbst. Eine Theatergruppe will Schillers letztes und populärstes Drama aufführen - und kommt zu dem Schluss: »Wir müssen das anders machen! Wir können hier doch nicht so tun, als ob wir noch vor 200 Jahren leben.« Sie beginnen, über Figuren und Motive nachzudenken und erzählen die Geschichte neu. Die Zuschauer erfahren so höchst vergnüglich und ganz nebenbei nicht nur etwas darüber, was möglicherweise damals wirklich in der Schweiz geschah, sondern bekommen auch einen Einblick in Aspekte der Tellforschung, die schon Max Frisch veranlasst haben, die Figur des »berüchtigten Apfeldurchlöcherers« mit anderen Augen zu betrachten... Der Originalstoff wird durch Spott in ein anderes Licht gerückt. So finden auch die Schüler, die Theater als Wahlpflichtfach gewählt haben, Zugang zu Schiller, der plötzlich viel weniger verstaubt daher kommt als gedacht. Sogar das Textlernen wurde da fast zum Vergnügen. »95 Prozent kann ich«, grinst Hauptdarsteller Matthias Frenser, der für das Foto gern schon mal zur berühmten Armbrust greift - auch wenn die noch nicht ganz fertig ist. Bis zur Aufführung wird er die restlichen fünf Prozent gelernt haben, die Requisiteure werden die Armbrust noch ein wenig verschönern, und auch die beiden fleißigen Mädchen, die im Schulflur alle Kostüme selbst genäht haben, können dann ihre Nähmaschinen endlich bei Seite packen und sich ansehen, für welches Stück sie seit Monaten so hart arbeiten.
Den Schülerinnen und Schülern, die auch in diesem Jahr wieder bei dem Bühnenbild und den Kostümen durch den Kunst-Kurs tatkräftig unterstützt wurden, hat die Mischung aus anspruchsvollen Texten und witzigen Einlagen so gut gefallen, dass sie nun herzlich zu diesem Theaterabend einladen.

Artikel vom 01.06.2005