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Tochter fast zu
Tode gewürgt

Vater leugnet Taten vor Landgericht

Von Jens Heinze
Löhne / Bielefeld (LZ). Unglaubliche Taten wirft die Staatsanwaltschaft Bielefeld einem 23-Jährigen aus Gohfeld vor: Benjamin T. soll die zur Tatzeit erst zehn Monate alte Tochter fast zu Tode gewürgt, geschlagen, gebissen und mit einem Gegenstand auf das Baby eingeprügelt haben. Gestern begann der Prozess gegen den arbeitslosen Gärtner vor dem Landgericht Bielefeld. Benjamin T. stritt alle Vorwürfe ab, belastete stattdessen seine Verlobte und deren Mutter.

Im August und Anfang September vergangenen Jahres - die Verlobte hatte mit der kleinen Tochter die elterliche Wohnung in Löhne verlassen und war gerade zum Angeklagten gezogen - sollen sich die schweren Übergriffe auf das am 4. November 2003 geborene Kind ereignet haben. Als die Oma am Abend des 6. Septembers 2004 schließlich ihre Enkelin ins Klinikum Herford einlieferte, diagnostizierte die behandelnde Ärztin schwerste Verletzungen am Baby: Würgemale am Hals, das Gesicht blutunterlaufen, Blut in den Bindehäuten der Augen. Ältere Misshandlungsspuren wie Blutergüsse und Bissspuren am Körper der Kleinen, der unter anderem das linke Auge »blau« geschlagen worden war, deuteten auf mindestens zwei weitere Übergriffe in den Wochen vor dem 6. September 2004 hin.
Dass er der Täter gewesen sei, davon wollte gestern vor der 2. Großen Strafkammer des Bielefelder Landgerichtes der Angeklagte nichts wissen. Er habe sich stets um seine Tochter gekümmert.
Für das »blaue« Auge, die Blutergüsse, die Kratz- und Bissspuren sowie die Würgemale hatte der 23-Jährige völlig andere Erklärungen, die zum Teil seinen Angaben beim Polizeiverhör im Spätsommer 2004 widersprachen. Die Verletzung am Auge habe sich das Baby beim Niesen zugefügt, als es sich einen großen Spielzeugstein ins Gesicht gerammt habe. Und zu den schweren Verletzungen am 6. September 2004 sei es gekommen, als das damals zehn Monate alte Kind von einem Spielzeugauto auf den Boden gefallen sei. In einer anderen Erklärung gegenüber der Kripo hatte sich der Gohfelder sogar zu der Behauptung verstiegen, Hauskater »Felix« sei in der Wohnung über seine Tochter hergefallen.
Zusätzlich belastete Benjamin T. vor Gericht die Oma des kleinen Mädchens und seine Verlobte. Ihm sei aufgefallen, dass seine Tochter, wenn sie bei der Oma in Löhne eine Nacht oder ein Wochenende verbracht habe, mit blauen Flecken am Körper zurückgekommen sei. Und die leibliche Mutter soll ihrem Baby Backpfeifen verpasst, es heftig geschüttelt und wie einen »nassen Sack« in ihr Bettchen geworfen haben.
Die zum Prozessauftakt als Zeugin geladene Oma, selbst dreifache Mutter und fünffache Großmutter, wies vor dem Landgericht alle Anschuldigungen zurück. »So ein kleines Baby darf man nicht schlagen. Die Lütje war praktisch wie mein eigenes Kind«, erinnerte die 52-Jährige daran, dass Tochter und Enkelin nach der Geburt fast neun Monate lang bei ihr gelebt hatten.
Die ebenfalls als Zeugin bestellte 19-jährige Mutter brach in Tränen aus, als Vorsitzender Richter Dieter Fels der jungen Frau aus den Verhörprotokollen der Polizei vorlas, wo ihr eigener Verlobter sie schwerster Kindesmisshandlungen beschuldigte. »Ich habe meiner Tochter niemals etwas angetan«, wimmerte die 19-Jährige, die erstmals von den gegen sie gerichteten Vorwürfen hörte.
Die arbeitslose Frau, die gestern zunächst ihren Verlobten gedeckt und die Schuld der eigenen Mutter zugewiesen hatte, änderte anschließend ihre Aussage. Sie habe gelogen, um ihren Verlobten zu beschützen. »Doch jetzt werde ich mich von ihm trennen«, kündigte die 19-Jährige noch im Gerichtssaal an. Denn tatsächlich habe sich der angebliche »Mustervater« kaum um die gemeinsame Tochter gekümmert, sondern sie selbst habe die Kleine versorgt.
Nach Bekanntwerden der Übergriffe ist der 19-Jährigen vorerst das Sorgerecht für das heute eineinhalb Jahre alte Kind entzogen worden. Das Mädchen lebt zurzeit bei einer Pflegefamilie und soll die schweren Misshandlungen ohne Spätfolgen überstanden haben. - Der Prozess gegen den angeklagten Vater wird Mittwoch fortgesetzt. Kommenden Freitag soll das Urteil fallen.

Artikel vom 31.05.2005