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Kirche will das soziale Profil
der Marktwirtschaft schärfen

Schröder fordert verstärkte Anstrengungen im Kampf gegen Armut

Hannover (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover für verstärkte Anstrengungen im Kampf gegen die weltweite Armut ausgesprochen. Mit Blick auf den Millenniums-Gipfel 2000 sagte Schröder am Freitag, Deutschland habe zur Umsetzung der Agenda eine ganze Menge beigetragen.
Gerhard Schröder und Wangari M. Maathai.
Man könne aber »noch besser« werden. »Das ist Ziel unserer Anstrengungen.« Zugleich sagte Schröder unter starkem Applaus: »Was könnte man mit dem Geld, das für den Irak-Krieg ausgegeben wird, alles tun.«
Auf dem Millenniumsgipfel im September 2000 in New York hatten sich Staats- und Regierungschefs auf eine globale Partnerschaft unter anderem zur Verringerung der Armut und zur Förderung des Friedens, der Menschenrechte und der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet.
Schröder sagte bei einer Podiumsdiskussion, die Globalisierung werde von vielen als »Bedrohung« angesehen. Viele Menschen sähen Gefahren etwa für die Sicherheit der Arbeitsplätze und die natürlichen Lebensgrundlagen. Die Globalisierung eröffne aber auch Chancen etwa durch den freien Austausch von Waren.
Deutschland setze sich etwa für die Öffnung der Märkte für Agrarprodukte ein. »Deutschland setzt sich dafür ein, alle Export- Subventionen auf landwirtschaftliche Produkte zu streichen«, sagte Schröder. »Wir sind ein exportabhängiges Land und werden das bleiben.« Die Abhängigkeit werde möglicherweise noch wachsen. »Wir werden unsere Chancen nur wahrnehmen können, wenn wir fair miteinander umgehen.«
Die Friedensnobelpreisträgerin Prof. Wangari M. Maathai aus Kenia sagte, Frieden und Sicherheit seien die Voraussetzungen, dass die Welt überleben könne. »Wenn Schulden erlassen werden, wenn die Handelsbeziehungen verbessert werden, wenn mehr Kapital verfügbar wird, dann müssen diese neuen Ressourcen auch den Bedürfnissen der Menschen zu Gute kommen.«
Die evangelische Kirche will das soziale Profil der Wirtschaftsordnung schärfen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, plädierte am Freitag auf dem Kirchentag dafür, »die christlichen Wurzeln, aus denen die soziale Marktwirtschaft entstanden ist, wieder fruchtbar werden zu lassen«. Wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Erfolg müssten aufeinander bezogen sein. Dies erfordere ein grundlegende Neuausrichtung der Bildungs- und Familienpolitik. Vordringlich sei auch die globale Armutsbekämpfung.
Die EKD werde aber weder allein, noch gemeinsam mit der katholischen Kirche eine Erklärung zum bevorstehenden Bundestagswahlkampf veröffentlichen, sagte Huber. »Sie können aber darauf bauen, dass wir bestimmte Fragestellungen profilieren werden.« Als Beispiel nannte Huber eine in Kürze geplante Stellungnahme über die beim Millenniums-Gipfel bis 2015 geplante Halbierung der globalen Armut. Man werde genau schauen, was versprochen und was bisher umgesetzt wurde.
Huber warnte zudem vor einer pauschalen Schelte der deutschen Wirtschaft. Es gebe etliche Mittelständler und Vorstandsvorsitzende, die sich ihrer Verantwortung bewusst seien. Vor allem für große Unternehmen sei es schwer, sich den globalen Zwängen zu entziehen. Eine einseitige Ausrichtung auf den Profit der Aktionäre müsse jedoch kritisiert werden. »Ich hoffe, dass jene, die nur auf die Zahlen schauen, in ihrem Innern ein ungutes Gefühl entwickeln und diese Zweifel fruchtbar werden.«
An die Kirchen appellierte Huber, ihre Ethik wirtschaftsverträglich zu gestalten. »Sie nützt uns nichts, wenn weiterhin Firmen schließen und Arbeitsplätze verloren gehen.«
Kirchentagspräsident Prof. Eckhard Nagel stellte Grundsätze vor, an denen sich das politische Denken und Handeln orientieren sollte. Erarbeitet wurde das Papier von 150 Experten aus 40 Ländern aus dem globalen Netzwerk des Kirchentages. Im Kern geht es darum, dass die Wirtschaft dem Menschen dienen muss und nicht umgekehrt. Gefordert werden Gerechtigkeit und Humanität. »Wie finden wir von einer Globalisierung der Märkte zu einer Globalisierung der Herzen«, heißt es in dem Papier.
Die Ökumene soll Schwerpunkt des nächsten Evangelischen Kirchentages 2007 in Köln werden. »Für uns ist ganz klar: Der Kirchentag in Köln ist ohne eine ausgeprägte ökumenische Dimension gar nicht denkbar«, sagte der Präses der rheinischen Kirche, Nikolaus Schneider, in Hannover. »Das gehört für uns im Rheinland zum Alltag von Kirche und Glauben.« Ein besonderer Schwerpunkt liege auf der Integration der großen Kölner Kunstszene in das Kirchentagsprogramm. Der Evangelische Kirchentag 2009 ist in Bremen.

Artikel vom 28.05.2005