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Magie mit
der Glaskugel

Kosmos der Straßenkünstler

Gütersloh (rec). Hinter den Karossen des Gütersloher Straßenzaubers droht am Samstag und Sonntag eine kleine Sensation unterzugehen. Zehn Jongleure, Clowns, Zauberer, Artisten und Comedians aus Ostwestfalen und dem Rest Europas eröffnen den Blick in einen schrägen Mikrokosmos namens »Straßenkunst«.

In Deutschland reicht die Tradition der Straßenkunst bis zu den mittelalterlichen Märkten zurück. Ob im 30-jährigen Krieg oder nach den Bombardierungen im zweiten Weltkrieges - immer wieder blieb Künstlern hierzulande kaum etwas anderes übrig, als auf der Straße aufzutreten, weil die Gebäude mal wieder und Schutt und Asche lagen. Mit dem Frieden in Europa wuchsen Wohlstand und Anspruch - auch bei den Straßenkünstlern. Die Künstler, die heute und am Sonntag in der Gütersloher Innenstadt auftreten, haben im russischen Staatszirkus gelernt, internationale Preise gewonnen und ihre Shows bereits auf Festivals in Glasgow, Rotterdam, Avignon, Terschelling oder in Adelaide (Australien) gezeigt.
Zum Beispiel Thomas Jacob aus Freiberg in Sachsen. Unter der Woche arbeitet er als Rechtsanwalt in einer Dresdner Kanzlei. An den Wochenenden lässt er bei Sphärenmusik Glaskugeln in fließenden Bewegungen über Hände, Arme, Schulter und Kopf rollen. Das beherrscht er so gut, dass er es inzwischen hauptberuflich macht. Als »Mister Crystal« trat er inzwischen im Chamäleon Varieté Berlin auf, beim ersten europäischen Kontaktjonglagefestival in Glasgow, bei Straßentheater-Festen in Sydney, Melbourne und Nizza und bei Stadtfesten in Dresden, Rostock und Tübingen.
555 Euro sind ein netter erster Preis für den »Gütersloher Straßenfiffi«, der am Ende des Straßenzaubers vergeben werden soll. Doch er würde gerade mal die Fahrt- und Übernachtungskosten decken, falls Mister Crystal ihn gewönne. Was also treibt den Glaskugelmagier aus Freiberg nach Gütersloh?
»Der Straßenfiffi hat inzwischen eben einen guten Ruf«, sagt Organisator Andreas Wetzig von »Krawalli Entertainment« artig. Wenn man ihn dann eine Minute lang stirnrunzelnd anschaut, sagt er noch was: »Naja, die Zusammensetzung der Jury spielt auch eine Rolle. Es sind Leute von Varieté-Theatern dabei, die den Straßenzauber nutzen, um nach Talenten für ihre Häuser zu suchen. Das hat sich in der Szene herum gesprochen.«
Ob Glaskugeln, Einräder, Situationskomik, Fingerhut-Handstand-Stepp auf einem Koffer oder »melakomisches Theater« - der Traum eines Straßenkünstlers ist es, die Straße eines Tages zu verlassen. »Doch das wird immer schwieriger. Bei dem in Gütersloh gezeigten Niveau hätte ich inzwischen keine Chance mehr, den Straßenfiffi noch einmal zu gewinnen«, sagt »Herr Krawalli« Andreas Wetzig.

Artikel vom 28.05.2005