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Jakob Arjouni
schreibt mit
Instinkt

Erfolgsautor in Stadtbibliothek

Gütersloh (joz). Der Erfolgsautor Jakob Arjouni las jetzt im Rahmen des Literatursommers 2005 in der Stadtbibliothek Gütersloh aus seinem neu erschienenen Buch »Hausaufgaben« vor. Er beantwortete ebenfalls die seine Literatur und auch das Persönliche betreffenden Fragen, die von Moderator Jürgen Keimer wie dem zahlreich erschienenen Publikum gestellt wurden.

»Ich bin ein instinktiver Schreiber und habe keinen Zettelkasten. Meine inhaltlichen Abläufe entwickeln sich wie in einem Fluss, und es ist dann oft nicht mehr so, wie man es sich vorher im Kopf einmal ausgedacht hat. Es gibt da andere Gesetze, die beim Schreiben wirksam sind«, berichtete Arjouni, der das tiefe Nachdenken aber nicht im Widerspruch zu seiner Herangehensweise empfindet. Er las jenen Abschnitt seines neuen Romans, indem der Deutschlehrer Joachim Linde des Reichenheimer Schiller-Gymnasiums zu Beginn eines seit langer Zeit ersehnten, verlängerten Wochenendes in den Zug nach Berlin steigen wollte. Es kommt nicht zu der Reise, jedoch an scheinbar nicht außergewöhnlichen Handlungen wie der des Kofferpackens reihen sich jede Menge die Schule oder die Familie betreffende Geschichten an. Auch die Verbindung mit weltpolitischen wie historischen Problemen wird anhand der Beschreibung Lindes mit seinen Schülern wie der Ereignisse im familiären Rahmen aktualisiert. Private wie historisch geprägte Schuldzuweisungen vermischen sich, da im Rückblick eines sonntäglichen Frühstücks der Familie Linde eine Auseinandersetzung über den israelisch-palästinensischen Konflikt thematisiert wird. Die vordergründigen, eher unspektakulären Handlungsabläufe führen zum Beispiel durch einen banalen Familienstreit des Vaters Joachim Linde, der Mutter Ingrid, der Tochter Martina und des Sohnes Pablo zu Fragen der Täter, der Opfer und der Schuld wie des Versuches, durch Wunschdenken mit sich selbst im Reinen zu bleiben.
Arjouni erzeugt eine fesselnde Spannung, da durch den ganzen Roman eine latente Ungewissheit bezüglich Linde aufrechterhalten wird, der sich selbst und den Anderen aber ständig etwas vormacht. Durch die Schilderung des Momentanen werden das ganze zurückliegende Leben wie Themen internationaler und historischer Tragweite assoziativ und handlungsbezogen aufgerollt. Dies entspricht der Aussage Arjounis, dass sich menschliche Beziehungen vom ersten Beginn schon abzeichnen würden. »Was später im Leben folgt, kommt meistens bruchstückhaft am Anfang schon in Kleinigkeiten vor.« Schließt dieser Autor also vom Momentanen aufs Unermessliche, vom Punktuellen auf das Allgemeine? Der bei Diogenes erschienene Roman »Hausaufgaben« ist jedenfalls eine den intelligenten Leser anziehende Lektüre, was nicht zuletzt die vom Publikum gestellten Fragen verrieten.

Artikel vom 28.05.2005