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HBL beweist Rückgrat: Drei raus!

GWD Minden durch Lizenzverweigerung für Wallau, Essen und Schwerin gerettet

Von Volker Krusche
Minden/Hamburg (WB). Der TSV GWD Minden/Hannover wird auch in der kommenden Saison erstklassig sein. Das ist das Ergebnis der Bekanntgabe des Lizenzierungsverfahrens, das am Dienstagabend mit einem Hammer endete. Insgesamt sechs Vereine erhielten keine Lizenz, darunter mit der SG Wallau-Massenheim, dem frischgebackenen EHF-Pokalsieger TuSEM Essen und dem Tabellenletzten SV Post Schwerin allein drei Erstligisten!

Damit folgte der Vorstand der Handball-Bundesliga (HBL) nach intensiven und stundenlangen Beratungen den Empfehlungen des Gutachter-Ausschusses. Fakt ist, dass es durch diese Entscheidung keinen sportlichen Absteiger in der 1. Liga geben wird. »Minden und Pfullingen sind definitiv gerettet. Daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Sollte sich noch der eine oder andere Klub über das Ständige DHB-Schiedsgericht in die Liga klagen, würden wir dann mit 19 oder 20 Mannschaften spielen«, gab der Männer-Spielwart des Deutschen Handball-Bundes, Uwe Stemberg, im Gespräch mit der LÜBBECKER KREISZEITUNG ein klares Signal für den Erhalt der Klasse von GWD Minden.
»Diese Vereine müssen einfach Planungssicherheit haben. Sonst droht uns anschließend noch eine Klagewelle.«
»Ich glaube, wir sind endlich mal dafür belohnt worden, dass wir seriös arbeiten und nur mit dem Geld auskommen, das wir zur Verfügung haben«, freute sich GWD-Manager Horst Bredemeier. »Es hat zuletzt einfach keinen Spaß gemacht, wenn man für seriöse Arbeit bestraft wird, weil sich andere teure Spieler kaufen, die sie dann nicht bezahlen können. Das hat dann mit fairem Wettbewerb nichts mehr zu tun.«
Natürlich geht er davon aus, dass man die Lizenz wieder mit den »normalen« Auflagen der letzten Jahre erhält. Soll heißen: Neben dem Verlustausgleich der noch laufenden Saison (ca. 250.000 Euro Mindereinnahmen bei den Zuschauerzahlen, allerdings leichte Erhöhung der Werbeeinnahmen) müssen die »Grün-Weißen« auch weiterhin die Altlasten des Vereins in gewohntem Rahmen bedienen.
Bredemeier wird jetzt in die Hände spucken und die noch offenen Personalfragen für die kommende Saison beantworten. »Das wird in den nächsten Tagen geschehen.« Erster Ansprechpartner in Sachen Trainer wird dabei, »wie von mir auch immer gesagt«, Velimir Kljaic sein. Allerdings wird der noch mit einem anderen Bundesligisten in Verbindung gebracht.
Nachdem nämlich Lajos Mocsai beim VfL Gummersbach wegen der nicht erteilten Freigabe seiner Universität absagen musste, könnte »Velco« als »Interimscoach« für eine Saison einspringen, bevor der Altmeister 2006 dann seinen Wunschkandidaten Alfred Gislasson verpflichten kann.
Zudem muss Bredemeier das Team um einen gelernten Spielmacher mit Defensivqualitäten, so sein Anforderungsprofil, erweitern. »Außerdem brauchen wir noch einen starken zweiten Kreisläufer und zweiten Torhüter«, so »Hotti« weiter. Ein weiterer Rechts- und Linksaußen würde in der Reihenfolge der Wertigkeit dann anschließend kommen. Vielleicht kann GWD ja aus der »Masse« von Wallau-Massenheim oder Essen den einen oder anderen interessanten Mann (z.B. Djordjic, Schmetz, Jonsson, Casanova, Klesniks, Roggisch) für sich gewinnen.
Erstmals in der Bundesliga-Geschichte wurde in erster Instanz also gleich drei Vereinen aus finanziellen Gründen die Lizenz für die Saison 2005/2006 verweigert. Außerdem wurde den Zweitligisten SG Willstätt-Schutterwald, Reinickendorfer Füchse Berlin und SG Werratal die Spielerlaubnis für die kommende Spielzeit verwehrt.
Das entschied der achtköpfige Liga-Vorstand der Handball-Bundesliga Männer (HBL) auf seiner Sitzung in Hamburg. Allen Klubs droht die Zurückstufung in die Drittklassigkeit. »Das Verfahren wurde ohne Rücksicht auf Namen, Marken oder Tradition durchgeführt. Alle wurden gleich behandelt. Es bleibt uns nicht anderes übrig, die Liga kurz- oder langfristig auf gesunde Beine zu stellen«, sagte Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann.
Und Kiels Manager Uwe Schwenker meinte: »Es war zwingend notwendig zu handeln, um die sportliche und wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Einige sind mit Vollgas gegen die Wand gefahren, ohne zu bremsen.«
Gegen die Entscheidung können die Vereine innerhalb einer Woche nach Eingang der schriftlichen Begründung Beschwerde beim Bundesliga-Vorstand einlegen. Dies haben Essen und Wallau bereits angekündigt. Letzte Instanz ist das Ständige DHB-Schiedsgericht (besetzt mit drei hochrangigen Juristen, die allesam die Befähigung für das Richteramt haben). Ein Gang vor ein Ordentliches Gericht ist nach dem Lizenzvertrag der Bundesligisten nicht möglich.
Sollte es bei den Lizenzverweigerungen bleiben, wäre dies ein Novum in der Handball-Bundesliga. Bisher haben Bundesliga-Vereine stets aus eigenem Antrieb aufgrund finanzieller Schwierigkeiten den Rückzug angetreten, so etwa der PSV Hannover (1982/83), der TSV Milbertshofen (1992/93), der OSC Rheinhausen (1997/98) und der TV Niederwürzbach (1998/99). Vor fünf Jahren drohte mit dem VfL Gummersbach erstmals einem Traditionsverein der Lizenzentzug, ein Votum des DHB-Präsidiums rettete damals den Rekordmeister.
Darauf hofft auch TUSEM Essen. Der dreimalige deutsche Meister- und Pokalsieger, der erst am 7. Mai im Finale gegen den SC Magdeburg den EHF-Pokal gewonnen hatte, kam finanziell in die Bredouille, da ein Sponsor (Weinerplan) die vertraglich zugesicherten Gelder in Höhe von 2,77 Millionen Euro nicht zahlte. Gleichwohl gibt man sich auch beim TuSEM nachdem man die Lizenzverweigerung mit »Überraschung zur Kenntnis genommen hat« kämpferisch. Man wolle, nach Erhalt der Urteilsbegründung, »jegliche mögliche Reaktion auf diesen vorläufigen Lizenzentzug in Betracht ziehen und ausschöpfen« heißt es auf der TUSEM-Internetseite.
Die Wallauer, die mit der Gründung einer neuen GmbH versuchten, die Forderungen für den Erhalt der Lizenz noch zu erfüllen, wollen ebenfalls nicht aufgeben: »"Wir werden notfalls den ganz harten Weg gehen«, so Trainer Martin Schwalb.
Die Lizenzentzüge waren natürlich auch Thema gestern bei der Bundesliga-Vor-Pressekonferenz des TuS N-Lübbecke. Trainer Jens Pfänder bedauerte es (»Ein Verlust für die Bundesliga«), wenn so renommierte Vereine wie Essen und Wallau den Weg in die Regionalliga gehen müssten. Manager Sigi Roch überlegte schon weiter: »Wenn beide Vereine mit den zu erwartenden Einsprüchen durchkommen sollten, spielen wir womöglich mit einer 20er-Staffel.« Die Quintessenz aus seiner Sicht: »Dann werden wir wahrscheinlich auch zu Weihnachten spielen müssen.«

Artikel vom 26.05.2005