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Seidenweiche Stimmen
entführen nach Asien

»Wege durch das Land« bei Delius sehr gut besucht

Von Julia Lüttmann
Spenge (SN). Auf eine musikalische und literarische Reise entlang der legendären Seidenstraße haben Leslie Malton, das Kuss-Quartett, Wolfgang Kubin und die Wiener Sängerknaben an Fronleichnam entführt. Im Stofflager der Weberei Delius lasen und sangen die hochkarätigen Gäste vor Hunderten von Besuchern von Schönheit und fremden Ländern.
Zwischen ernsten und heiteren Themen bewegte sich die Lesung von Wolfgang Kubin: Er trug Gedichte aus und über China vor - zum Teil in der Landessprache.
Den Auftakt bildete die preisgekrönte Theaterschauspielerin Leslie Malton, die auch durch zahlreiche Film- und Fernsehrollen bekannt wurde. Sie las aus Guy de Maupassants »Die vertane Schönheit«. Erzählt wurde die Geschichte einer schönen Gräfin, die nach sieben Kindern kein weiteres mehr möchte. Mit einer List hält sie ihren Mann von sich fern: Sie erzählt ihm, eines ihrer Kinder sei nicht von ihm. Erst nach vielen Jahren, in denen der Mann vor Kummer fast krank wird, enthüllt sie die Wahrheit - und kann jetzt mit ihrem einst so eifersüchtigen Mann befreundet sein.
Leslie Malton gelang es, die Zuhörer in eine Zeit zu versetzen, in der Frauen das Eigentum der Männer waren. Besonders glänzte die Schauspielerin, als die junge Gräfin ihrem tyrannischen Ehemann eine Szene macht: »Nie wieder werde ich mich Dir hingeben«, tobt sie - und das Publikum glaubt ihr.
Musikalisch ging es mit dem Kuss-Quartett weiter: Die vier Musiker Jana Kuss (Violine), Oliver Wille (Violine), William Colemann (Viola) und Felix Nickel (Cello) begeisterten mit einem Kontrastprogramm aus temperamentvollen Klängen wie Beethovens Großer Fuge und den leicht bewegten, fließenden Klängen aus Anton Weberns Sechs Bagatellen. Die hochkarätige Darbietung wurde von den Zuhörern mit lautstarkem Applaus belohnt, von einigen jedoch als etwas zu lang empfunden.
Nach einer einstündigen Pause, in der sich die Besucher auf dem lauschigen Firmengelände der Weberei Delius mit Getränken und Speisen stärken konnten, ging »Wege durch das Land« weiter.
Wolfgang Kubin nahm unter dem Motto »Wer entschwände nicht gern in verborgene Länder« seine Zuhörer mit auf eine lyrische Reise die Seidenstraße entlang. Seine Gedichte, die vom Leben an der Handelsroute erzählen, amüsierten die Zuhörer mit feinem, hintergründigem Humor: Was braucht der Chinese, um gesund zu bleiben? Ganz einfach, erfuhren die Kulturinteressierten: rohen Knoblauch, rohe Chilischoten und sehr hochprozentigen Schnaps. Doch der Sinologe machte auch vor ernsten Themen wie Hinrichtung nicht halt.
Zu Publikumslieblingen des Abends entwickelten sich die Wiener Sängerknaben. Sie erzählten eine Geschichte mit Musik aus Ländern entlang der Seidenstraße. Auf der Suche nach seinem Onkel Huang begibt sich Christian auf die beschwerliche Reise entlang der Seidenstraße. Begleitet von Geist Feng und dem vorwitzigen Kamel Fu-Pa reist er durch Pakistan und die Türkei, Usbekistan und China. Mit Volksliedern aus den Regionen präsentierten die Jungen Auszüge aus ihrem außergewöhnlich breiten musikalischen Repertoire. Doch die Jugendlichen begeisterten nicht nur mit ihrer Sangeskunst, sondern auch mit ihren schauspielerischen Einlagen: Sie entführten die Zuhörer auf einen kunterbunten türkischen Basar und in das Tal der Drachen, die Besucher wurden Zaungäste einer Gerichtsverhandlung in Samarkand. Die Zuschauer belohnten die quirlige und musikalisch perfekte Darbietung der Jungen mit tosendem Applaus.

Artikel vom 28.05.2005