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»Hartz IV - das ist ein
bürokratisches Monster«

Journalist Michael Jungblut lugt durchs Promi-Fenster

Harsewinkel (jaf). Wann kommt der Aufschwung? So genau kann das keiner sagen. Auch Ex-WISO-Moderator Michael Jungblut nicht. Dennoch referierte er zu diesem Thema und zur Lage der Nation - und zwar auf Einladung der Volkshochschule und der Sparkasse, die jetzt in der Realschule das »Prominenten-Fenster« öffneten.

»Es ist schwierig zu prophezeien, wann der Aufschwung denn nun kommt. Die Thematik ist aber aktueller denn je«, führte Volkshochschul-Direktor Dr. Siegfried Kosubek, in hoffnungsvollem lindgrün gekleidet, in die Thematik ein. Neuwahlen stünden bevor, das Wirtschaftswunderland Deutschland stecke in der Krise, die Binnennachfrage stagniere, holte Kosubek aus, bevor er das Wort an den prominenten Gast übergab.
Leider hatten nur gut 20 Zuhörer den Weg in die Realschule gefunden. »Das liegt vielleicht am Wahlkampf. Oder am Wetter«, legte Michael Jungblut, der den Harsewinkelern unter anderem aus Sendungen wie WISO, dem Kreuzfeuer, ZDF-Spezial oder »Zur Sache« bekannt ist, los. Und der Journalist fackelte nicht lange: »Das Thema und der Zeitpunkt meines Referats sind gut kombiniert: Kurz nach der Wahl und kurz vor den Neuwahlen - soweit hat freilich keiner gedacht.« Und so dachte Jungblut laut: »Die Frage müsste anders lauten: Wer macht den Aufschwung?«
Pfeffer in die Diskussion brachte Jungblut mit einer ganz anderen These: »Ich sehe bei der SPD ein ganz anderes Motiv, dass sie die Wahlen vorziehen wollen. Ganz schnell Neuwahlen. Das bedeutet auch, dass sie das Desaster, das sich durch Hartz IV ankündigt, nicht in voller Wucht abbekommen. Noch werden die Folgen der missglückten Reform noch nicht deutlich. Spätestens 2006, im eigentlichen Jahr der Bundestagswahl, wäre das aber der Fall«.
Sicherlich hätten sich Millionen Menschen in das soziale Netz hineingelegt. »Da musste also etwas geschehen. Hartz IV ist aber nicht der richtige Weg. Das ist ein bürokratisches Monster: Zum einen bis ins kleinste geregelt, zum anderen mit vielen Punkten, an die man sich nicht herantraut«, unterstrich der Polit-Experte. Zugleich ist er sich sicher, dass man bei den Gesetzen vergessen habe, dass sich dadurch auch die Verhaltensweise der Bürger ändere. »Viele suchen sich jetzt Schlupflöcher, und das wird Milliarden schwere Löcher in den Haushalt reißen«, prophezeite Jungblut.
Und damit kehrte der Journalist zurück zu seiner Ausgangsfrage: Wann kommt denn nun der Aufschwung? »Nicht so schnell«, betonte Jungblut. Und weiter: »2005 nicht und 2006 voraussichtlich auch nicht. Schließlich habe Deutschland ein strukturelles Problem, das man nicht so einfach lösen könne. »Die Regierung Schmidt hat die Sozialleistungen ausgebaut. Helmut Kohl hat Reformen nicht durchschlagend genug angepackt, und auch die Regierung Schröder hat die ersten vier Jahre vertrödelt und dann Herrn Hartz um Hilfe gebeten«, so Michael Jungblut, der betonte, dass der Aufschwung auf jeden Fall nicht vom schon ausgereizten Export kommt: »Da werden uns nur Scheinerfolge vorgegaukelt. Die Wertschöpfung findet nämlich oft im Ausland statt. Dort werden die Teile produziert und in Deutschland werden sie nur zusammengeschraubt«. Man habe sich in eine Situation gebracht, wo man sich gegenseitig arbeitslos mache. Denn auch die inländische Nachfrage ließe zu wünschen übrig. Und so dreht sich der Teufelskreis weiter, in dem der Aufschwung auf der Strecke bleibt.

Artikel vom 28.05.2005