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             Das Wort zum Sonntag

                               Von Pfarrer Martin Hellweg, Bad Driburg

Pfarrer Martin Hellweg aus Bad Driburg.

Wenn dein Kind dich morgen fragt É dann kommtÕs drauf an: - auf die Uhrzeit (vorzugsweise nach 8 Uhr, vor 7 Uhr eher schlecht, vor 6 Uhr ganz schlecht), - wie ich geschlafen habe (verblüffend ohne Störungen, nur durch den gewohnten Toilettengang um 3 Uhr erleichtert, durch ein Dauerkonzert aus Babygeschrei, Partylärm und Sägewerksgeräusch geladen bis zum Anschlag),
- ob die Frage meines Kindes in mein Morgen-Leben passt (zu meinem Frühstücksei, meinen Planungen für den neuen Tag, in meine Sprach- und Erlebniswelt).
Und, liebe Leserinnen und Leser, wie war Ihre Nacht É?
Wenn Sie diese Zeitung in den Händen halten und meine Besinnung lesen, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt für einen Test: Hat Ihr Kind jetzt eine Chance zu fragen? Haben Sie jetzt eine Chance zu antworten?
Weshalb ich Sie am frühen Morgen / seligen Samstag vormittag / noch heiligerem Nachmittag etc. damit nerve? Nun, es ist Kirchentag. 30. Deutscher Evangelischer Kirchentag in Hannover. Und Sie sind zu Hause geblieben (der Kinder wegen?)! Sie sind nicht hingefahren, nicht eingetaucht in den Taumel aus Happening, Begegnung und Spiritualität!?
Das Motto dieses Kirchentags: »Wenn dein Kind dich morgen fragt.« Das haben sich »die da oben« vom Kirchentag natürlich nicht selbst ausgedacht. Nein, sie haben in die Bibel geschaut. 5. Buch Mose, Kapitel 6, Vers 20.
Die Bibel geht davon aus, dass unsere Kinder Fragen haben. Dass sie Selbstverständliches wie Lebensregeln, auch Glaubenssätze in Frage stellen. Und dass wir Erwachsenen darauf eine Antwort geben können und sollen - die zumindest darin liegen kann, unsere Unsicherheit offen zuzugeben. Mama, Papa, warum ist das so? Jede Antwort, jede Frage, die wir uns zu eigen machen, bedeutet Orientierung - nicht nur für unsere fragenden Kinder.
Für den Kirchentag ist dies noch radikaler fraglich: dass unsere Kinder Fragen haben. Fraglich doch schon, ob wir überhaupt Kinder haben! Ob dann die Kinder um uns herum Fragen haben. Ob dann diese Fragen uns treffen - etwa unsere wirtschaftshörige Geringschätzung von Familienarbeit. Radikale Fraglichkeit ist keine Schande. Sie ist ein Zeichen für Interesse. Gott selbst fragt nach uns, wenn unsere Kinder an uns Fragen haben, uns in Frage stellen. Kinderfragen sind Lebenszeichen unseres Gottes. Dies sollten wir nicht gering schätzen. Danach sollten wir immer wieder fragen, dass wir uns fragen lassen. Carpe diem - Pflücken wir uns also den Tag, die Fragen, die er uns bietet É
Dazu zum Schluss noch eine kleine Anregung, liebe Leserinnen und Leser: Wenn Sie es schon nicht nach Hannover geschafft haben, dann doch vielleicht nach Paderborn - dort ist in den Räumen des Ev. Kirchenkreises eine Ausstellung zu sehen: »Wenn dein Kind dich morgen fragt É«
Ein ökumenischer und 16 Evangelische Kindertageseinrichtungen halten uns dort die Fragen von Kindern in Form kleiner Kunstwerke vor Augen. Die Ausstellung in der Klingenderstraße 13 ist noch bis zum 6. August, montags bis donnerstags von 8 bis 16.30 Uhr, freitags von 8 bis 12 Uhr für Sie geöffnet. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Kindern ein schönes Wochenende, einen gesegneten Sonntag - und gute Gespräche!

Artikel vom 28.05.2005