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Gedanken zum Sonntag

Von Vikar Hubert Maus


Haben Sie schon ein Testament gemacht? Je nach Lebensalter ist diese Frage unterschiedlich wichtig. Aber Bedeutung gewinnt die Frage allemal: Wir alle sind Hinterbliebene, wir alle stehen in einem Generationenzusammenhang, im Nehmen und Geben. Erben kann folgenreich sein. Eine große Erbschaft machen - welches Glück - oft welche Überraschung! Im Testament eines anderen bedacht werden, hat etwas Rührendes. Jede Testamentseröffnung hat etwas Schwankendes zwischen Hoffen und Bangen, zwischen dankbarem Empfangen und enttäuschender Nichtberücksichtigung. Kostbare Beziehungen können dabei zu Bruch gehen, Familien können auseinander fliegen.
Es ist also eine sehr folgenreiche Entscheidung, ob wir ein Erbe antreten oder nicht. Wie gehen wir damit um? Was machen wir daraus? Man kann ein Erbe verschleudern und verschludern, man kann es schützen und behüten. Eucharistie - die Hinterlassenschaft Jesu Christi: Jede Eucharistiefeier ist eine Testamentseröffnung. Wir sehen uns eingeladen, »das neue und ewige Testament« zu feiern, den neuen und ewigen Bund. »Tut dies zu meinem Gedächtnis.« Im Testament Jesu bedacht zu sein, welche Auszeichnung! Christlich glauben heißt, einer Erbengemeinschaft anzugehören, ungeheuer beschenkt zu sein durch die Hinterlassenschaft Jesu. Paulus schreibt es lapidar an seine Gemeinde in Rom: »Sind wir aber (Gottes) Kinder, dann auch Erben: Erben Gottes und Miterben Christi.« Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein derartiges Erbe als Zusage - welches Geschenk! Da werden nicht 100 000 Euro geerbt, nicht Villen und Landhäuser, da ist es der lebendige Gott selbst. »Ihr seid Erben Gottes und Miterben Christi.« Diese Testamentseröffnung verändert das Leben und die Sicht aller Dinge. Treten wir dieses Erbe an? Bilden wir eine Erbengemeinschaft? Auch hier besteht die Gefahr, dass wir das Erbe verschleudern. Wir alle haben den Geist der Kindschaft Gottes empfangen! Wir können noch so alt sein, noch so lebenserfahren, Söhne und Töchter bleiben wir immer: Söhne und Töchter unserer Eltern. Wir verdanken unser Leben nicht der eigenen Leistung, wir sind Erben. Vater und Mutter sind uns für immer voraus und zuvor, selbst dann, wenn wir selbst längst Vater oder Mutter, Großvater und Großmutter sind. Deshalb wählen schon die biblischen Schriften die Erfahrung von Vater und Mutter, von Sohnschaft und Tochterschaft, um das Geheimnis Jesu zu beschreiben. So wie Kinder hoffentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit, in jeder Lebenssituation zu ihren Eltern kommen können mit der Gewissheit, nie verstoßen zu werden, so feiert das Neue Testament Jesus, den auferweckten Gekreuzigten als den Sohn Gottes. Diese abgründige Vertrautheit und Intimität, diese absolut verlässliche und liebevolle Beziehung zum lebendigen Gott ist es, die das Lebensgeheimnis Jesu ausmacht.
Genau das ist sein Erbe an uns. Genau das ist das Geheimnis des dreifaltigen Gottes, das wir heute feiern. Nicht eine himmlische Arithmetik, nicht eine Vorstellung von drei Personen im göttlichen Jenseits oder Diesseits, sondern die Freude darüber, im heiligen Geist zu sein, also: durch die Wirkkraft Gottes sich im Lebensmilieu Jesu, im Energiefeld des lebendigen Gottes zu befinden. Das Erbe Christi verpflichtet! Seine Erbschaft ermöglicht ein alternatives Leben - voller Widerstandskraft und Glaubensmut. Ob wir den aufbringen?

Artikel vom 21.05.2005