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Nationalparkphilosophie
gilt nicht für Borkenkäfer

300 Zuhörer bei Informationsabend des Kreises in Brakel

Von Jürgen Köster
Brakel (WB). »Ich gebe unumwunden zu, dass es unter Marketing-Gesichtspunkten wünschenswert wäre, in der Region einen Nationalpark zu haben. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Beschränkungen sind aus meiner Sicht jedoch ein zu großes Opfer.« Mit dieser Bewertung fasste Landrat Hubertus Backhaus schon in seinem Eingangsstatement den Tenor der Nationalpark-Informationsveranstaltung in der Stadthalle Brakel zusammen.

Als kompetenten Referenten begrüßte Backhaus vor gut 300 Zuhörern Prof. Dr. Andreas Schulte vom Internationalen Institut für Wald und Holz NRW an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dieser hatte bereits im Vorfeld das hauseigene Gutachten von Ministerin Bärbel Höhn kritisiert und unterstellt, dass mit falschen Zahlen gearbeitet worden sei (das WB berichtete am vergangenen Mittwoch ausführlich).
Zweiter Gesprächspartner des Abends war Dr. Hubertus Köhler, Gründer und 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Nationalparkbetroffener und Leiter des Forstamtes Lauterberg. Er stellte fest, dass nach der deutschen Wiedervereinigung eine »Nationalpark-Gründungseuphorie« ausgebrochen sei. Sie habe den ursprünglichen Sinn solcher Parks völlig verdrängt. In der anfänglichen Formulierung des Nationalparkparagraphen im Bundesnaturschutzgesetz habe es geheißen »Nationalparke müssen großräumig und von besonderer Eigenart sein, im überwiegenden Teil ihres Gebietes die Vorraussetzungen eines Naturschutzgebietes erfüllen und sich im überwiegenden Teil ihres Gebietes in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden.« Damit habe es in Deutschland kaum Gebiete gegeben, die als Nationalpark geeignet waren. Nach der Novellierung des Gesetzes habe dann »praktisch jedes Gebiet« Nationalpark werden können, stellte Dr. Köhler fest. Am Beispiel des Nationalparks Bayrischer Wald verdeutlichte er, welche Folgen -Êetwa durch die Borkenkäfermassenvermehrung -Êentstehen könnten. »Borkenkäfer halten sich nicht an die Nationalparkphilosophie«, stellte der Forstfachmann fest. Nach zwei Jahren ohne Borkenkäferbekämpfung sei das Ergebnis fatal gewesen: »Über 1000 Hektar toter Wald im Nationalpark, Überflüge in umliegende Wirtschaftswälder, in denen bei entsprechender Thermik und Windrichtung in Entfernung von mehreren Kilometern Massenbefall mit hektarweiser Vernichtung von Fichtenalthölzern auftraten.«
Nicht gelten lassen wollte Köhler die Aussage »Nationalparke sind Touristenmagneten«. Im Harz etwa seien die Übernachtungszahlen in den am Nationalpark gelegenen Gemeinden seit der Einrichtung des Großschutzgebietes um über 30 Prozent zurückgegangen. Dramatisch sei auch der Wertverlust der Immobilien der Bewohner.
Prof. Schulte ging noch einmal auf seine Kritik am Höhn-Gutachten ein. Dazu räumte Leitender Ministerialrat Franz-Lambert Eisele, Leiter der Landesforstverwaltung, ein, dass sich ein Rechenfehler eingeschlichen habe. In eine Tabelle seien Zahlen aus dem Regierungsbezirk Münster eingeflossen, statt aus dem Regierungsbezirk Detmold. Prof. Schulte betonte, der Holz-Cluster OWL zähle zu den weltweit bedeutendsten. »Jede dritte Einbauküche kommt aus dieser Region«, hob er hervor. Viele Betriebe der Sägeindustrie, Holzwertstoffindustrie, des Holzhandwerks und der Vollholzmöbelindustrie seien auf Holz aus der Region angewiesen. Erhebliche Nachteile sah Schulte darüber hinaus für die regenerative Energiewirtschaft und den Umweltschutz.

Artikel vom 21.05.2005