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Dieses Mädchen, 1992 gemalt von Marlene Dumas, hält Jan Hoets Kopf in ihren Armen.

»Künstler erkennen
tiefere Wahrheiten«

MARTa-Direktor stellt sich und seine Helden vor

Von Ruth Matthes (Text)
und Jörn Hannemann (Fotos)
Herford (HK). »Wenn jemand in ein fremdes Land kommt, stellt er sich dort erst einmal vor. Dieser Tradition folge ich mit meiner ersten Ausstellung«, sagt Jan Hoet. Gerade in dem persönlich geprägten Teil der Ausstellung »(my private) Heroes«, der »Wunderkammer», zeigt der MARTa-Direktor, was und wer ihn prägte.

»Wer kommt, muss zeigen, wer er ist, damit die Menschen ihn kennen lernen können und eine Aufgeschlossenheit entsteht«, erläutert Hoet. »Daher lag es nahe, meine Vorbilder zu präsentieren, denn sie verraten viel über die Identität eines Menschen.« Ob Eltern, Popstars, Sportler oder Künstler, alle seien sie Modelle für eine bestimmte Art, die Dinge anzugehen und die Welt zu sehen. In der Auseinandersetzung mit ihnen präge sich die Identität des Menschen. Hoets Modelle sind vorwiegend bildende Künstler wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Andy Warhol und James Ensor, die er für ihre Fähigkeit verehrt, tiefer zu blicken als andere - unter die Oberfläche. »Und was sie dort entdecken, ist nicht immer schön.« Aber auch der mehrfach für den Nobel-Preis nominierte belgische Autor Hugo Claus, Pianist Vladimir Horowitz und Filmemacher Pasolini reihen sich hier ein.
Auch Modelle der Geschichte seien prägend, so Hoet. Dies demonstriere besonders Jonathan Meeses »Müllhaufen der Vergangenheit« (»Captaine Danjou Légion Etrangère«) gleich am Eingang. »Er konfrontiert hier alle möglichen Anschauungen wie Kommunismus, Faschismus und ihre jeweiligen Gegner.«
Im Mittelpunkt seiner großen Wunderkammer hat er in einem intimen Raum Andenken an Künstler versammelt, meist kleine Zeichnungen, aber auch Gemälde, die ihn seit seiner Kindheit begleiten, da seine Eltern passionierte Sammler waren. Da ist die Liegende »Dame op Canape« des Expressionisten Jean Brusselmans, die seine Mutter einst erstand, Ensors »Dans les Dunes« (In den Dünen) und Constant Permekes düstere »Marine«.
Wie Ensor traf Jan Hoet auch Permeke persönlich. Als Junge wollte er ihm unbedingt bei der Arbeit mit einem Nacktmodell zusehen. Doch er wurde weggeschickt. »Als das Bild fertig war und ich es endlich sehen durfte, war ich sehr enttäuscht: Es stellte ÝnurÜ eine Meerlandschaft dar.«
Neben seinen Eltern hat Hoet auch seiner Großmutter ein Plätzchen reserviert. Ihr Ritual, jeden Abend eine Prise Schnupftabak zu nehmen, regte den Enkel dazu an, aus aller Welt kunstvoll verzierte Schnupftabakdosen zusammenzutragen. Seine eigene Generation ist vertreten unter anderem durch Jan Fabre und Marlene Dumas, die Jan Hoet auch selbst verewigte: Nach Fotovorlagen komponierte sie seinen Kopf in das Gemälde »Girl with Head«.
Ganz im Zentrum findet sich als intimster Raum ein Bad, dominiert von David Hammons Installation »Bath Tub«. Die Wanne mit deutlichem Schmutzrand und der Schatten, den ein abgehängter Spiegel hinterlassen zu haben scheint, sind für den Afroamerikaner Zeichen des rassistischen Vorurteils, dass Farbige schmutzig seien. »Mir war es bei der Auswahl wichtig, dass der Mensch hinter dem Helden sichtbar wird. Außerdem sind für mich diejenigen die besten Helden, die jeder für sich auswählt. Die kollektiven Heroen sind oft zu Anti-Helden geworden, die privaten überleben.« Hoet lädt jeden ein, sich von der Ausstellung zur Auseinandersetzung mit den eigenen Vorbilden anregen zu lassen. An Pfingsten nutzten 5 000 Besucher dieses Angebot.
l Öffnungszeiten: bis 14. August, dienstags bis sonntags, feiertags 11 bis 18 Uhr, jeden ersten Mittwoch im Monat bis 21 Uhr.

Artikel vom 19.05.2005