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Idealisten retten edle Schuhmanufaktur

Für die Herstellung der berühmten »Budapester« sind 300 Arbeitsgänge erforderlich

Von Werner Scheib
Stuttgart/Budapest (dpa). Eine Gruppe privater Investoren will die Zukunft der 126 Jahre alten Schuhmanufaktur »Heinrich Dinkelacker« mit Sitz im schwäbischen Bietigheim sichern.

Damit werden die Deutschen auch künftig in der Liga handgearbeiteter Luxusschuhe eine Rolle spielen. »Ohne Idealisten würde dieses Handwerk aussterben«, sagt der ehemalige IBM-Manager Norbert Lehmann. Der 60-Jährige, der 51 Prozent an Dinkelacker hält, hat die Traditionsmarke vom Inhaber des Familienunternehmens kürzlich gekauft. Damit können die 40 Schuhmachermeister in Budapest weiterhin täglich 32 bis 38 Paare handgemachte Herrenschuhe fertigen.
»Wir wollten die Manufaktur, die alte Schuhmacherkunst, retten, um etwas daraus zu machen, auch wenn in den ersten Jahren kein großer Profit zu erwarten ist«, sagt Lehmann. Derzeit fertigt die Manufaktur in der ungarischen Hauptstadt pro Jahr etwa 8000 Paar Schuhe. Die Preise liegen zwischen 400 und 1200 Euro. Branchenkenner vergleichen Dinkelacker von der Qualität und vom Renommee her mit Edelmarken wie »Church« und »Alden«.
Lehmann und sein Berater, der frühere Salamander-Vorstand Hermann Hoste, wollen den Jahresumsatz von derzeit 1,6 Millionen Euro durch die Erschließung neuer Märkte in den USA und Japan steigern. 12 000 Schuhe sollen im kommenden Jahr gefertigt werden. An das Geschäft im exklusiven Nischenmarkt für handgefertigte Herrenschuhe glaubt auch Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Er soll mit seinem Privatgeld der stille Teilhaber an Dinkelacker sein.
Lehmann ist überzeugt, dass das Segment der »Budapester« auch in Zukunft attraktiv und sein Geld wert ist. Das Erkennungszeichen von Dinkelacker, die mit 62 Stichen je Schuh umlaufende Naht, mit der Rahmen und Schaft zusammengehalten werden, will er nicht aufgeben, auch wenn andere Edelmarken auf diese aufwendige Fertigung bereits verzichten.
Jeder Schuh erfordert mindestens 300 Arbeitsgänge. Die einzelnen Stiche durchs Leder treiben den Schuhmachern den Schweiß auf die Stirn. Diese Fertigkeit beherrschen nur noch wenige. Wie etwa der 65 Jahre alte Gyula Szücs, der in 50 Jahren bei Dinkelacker in Budapest »speziell getränktes Garn in einer Gesamtlänge, die zwei Mal um den Erdball reicht«, vernäht hat.
Lehmann versichert: »Es war die Meisterkunst der Budapester Schuhmacher, die mich derart faszinierte.« Nur noch knapp 15 Schuhmanufakturen arbeiten in Budapest und verwenden feinste Leder, etwa Büffelcalf aus Italien.

Artikel vom 21.05.2005