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Gespür für Not
des Gegenüber

Freiwilliges soziales Jahr bei Johannitern

Von Claus Brand (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Lebenserfahrung im Umgang mit Kranken, Behinderten und alten Menschen, gleichbedeutend mit mehr sozialer Verantwortung im Alltag: Auf diesen gemeinsamen Nenner bringen drei Männer und eine Frau ihre Erfahrungen während des freiwilligen sozialen Jahres (FSJ) beim Regionalverband der Johanniter-Unfallhilfe (JUH).

Eine besondere Rolle kommt der 22-jährigen Sabrina Plöger zu. Die Gohfelderin ist bei der JUH die erste Frau, die landesweit das FSJ absolviert hat. »Sie hat freiwillig auf 18 Monate verlängert«, freut sich JUH-Vorstand Wolfhard Ehrlich. Die Rettungs-Sanitäterin, die zuvor Abitur an der Gesamtschule in Löhne gemacht hat, erklärt: »Die Praxis hat mir gezeigt, dass ich hier richtig bin.« Sie habe eine Ausbildung als Schwester im Operationssaal begonnen, aber schnell gemerkt, dass ihr der direkte Kontakt zum Patienten fehlt. Ein Medizin-Studium sei nicht in Frage gekommen. Bei einem Kranken-Transport hat sie jüngst einen 13-jährigen Jungen begleitet, der sich nach dem Einsetzen einer neuer Herzklappe wieder bester Gesundheit erfreut. »Das ist doch etwas wunderbares.« So steht für sie fest, im nächsten Jahr bei der JUH eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin zu beginnen.
Eduard Dirksen (22), gelernter Werkzeugmechaniker, hat jegliche Scheu im Umgang mit Behinderten überwunden. Er hat im FSJ unter anderem ein schwer behindertes Ehepaar in Minden betreut. »Anfangs gibt es Hemmungen, wenn man einen Behinderten waschen oder ihm das Hemd in die Hose stecken muss.« Das sei schnell verflogen. Er meint: »Ich habe keine Berührungsängste mehr.« Erstmals habe er sich durch die gemachten Erfahrungen auch mit dem Thema Tod beschäftigt. »Ich möchte mich im Alter möglichst selbst versorgen können. Da denkt man schon mal nach, mit dem Rauchen aufzuhören oder mehr Sport zu treiben.«
Als Alternative zum Zivildienst haben Claudius Christ (21) aus Bad Oeynhausen und Florian Wehmeier (20) aus Löhne positive Erfahrungen mit dem FSJ gemacht. Beide haben in erster Linie im Menüservice hilfsbedürftige Menschen versorgt. »Auch wenn es oft schnell gehen muss, für ein kurzes Gespräch mit den älteren Leuten bleibt Zeit«, hat Wehmeier den so entstandenen Kontakt zur älteren Generation schätzen gelernt. »An Spitzentagen habe ich schon mal mehr als 200 Kilometer Fahrstrecke.« Jeden Tag werden auf vier Routen vom JUH-Team mehr als 80 Essen verteilt.
Ein besseres Auge für Menschen in Not hat der Zivildienstleistende Christoph Markmann (20) aus Löhne bei sich ausgemacht, der oft mit Sabrina Plöger im Einsatz war. »Ist man sonst eher achtlos vorbeigegangen, wenn einer älteren Frau im Bahnhof die Tasche heruntergefallen ist, dann hilft man jetzt, ohne groß zu zögern. Man erkennt einfach Leute, die schnell Hilfe brauchen.«

Artikel vom 19.05.2005