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Stadtgeschichte wird lebendig

Ein Rundgang durch die Fußgängerzone

Lübbecke (WB). Die Stadt Lübbecke feierte im Jahr 1975 ihre erste urkundliche Erwähnung vor 1200 Jahren. Zu diesem Jubiläum wurde die Fußgängerzone eingeweiht, deren 30. Geburtstag im Juni mit einer Festwoche begangen wird. Bis zu dieser Zeit bildeten die Straßenzüge aus Ostertorstraße-Bäcker-Straße-Lange Straße die Hauptverkehrsachse in Ost-West-Richtung und mussten den gesamten Verkehr bewältigen.
Die Frau mit der vergoldeten Schlange ziert seit Erbauung des Hauses Lange Straße 20 vor mehr als 150 Jahren die Fassade.Fotos: SeyffarthDer Eckbalken des Stammhauses Deerberg.
Bei einem Stadtrundgang ist zu erfahren, dass steter Wandel und Anpassung an die Erfordernisse der Gegenwart ein lebendiges Gemeinwesen kennzeichnet. Neue Nutzung von Gebäuden erfordern Umbaumaßnahmen, deren Ergebnisse häufig kontrovers diskutiert wurden. Mit einhelligem Beifall wurde vor Jahren die gelungene Renovierung eines der ältesten Häuser in der Langen Straße begrüßt, an dem der Weg vorbeiführt. Sein Erbauungsjahr 1767 markiert ein besonderes Ereignis in der Stadtgeschichte.
Der Blick nach oben, der jetzt ohne Gefährdung durch Fahrzeuge die unbeachteten Details erschließt, bringt manche Erkenntnisse. Die Frau mit der vergoldeten Schlange ziert seit Erbauung des Hauses vor über 150 Jahren die Fassade und gibt einen Hinweis darauf, womit hier von Beginn an bis heute Geld verdient wird. Auch lernt man, warum ältere Lübbecker Bürger immer noch ihren Kaffee bei Rubino trinken, obwohl heute der Name weder an der Fassade noch im Telefonbuch zu finden ist.
Persönliche Erlebnisse negativer Art haben schon immer die Kreativität von Menschen gefördert. Ein Lübbecker Drogist, dem beim Marsch nach Paris 1870 mit vollen Gepäck das Leid wundgelaufener Füße widerfuhr, sann auf Abhilfe und erfand eine Fußcreme. Dieses Produkt, das unter seinem ursprünglichen Namen heute nicht mehr zu vermarkten wäre, bildete den Anfang der Erfolgsgeschichte einer Fabrik, deren Erzeugnisse heute europaweit vertrieben werden. Der in den Gründerjahren erworbene Wohlstand wurde durch den Bau eines repräsentativen Wohn- und Geschäftshauses dokumentiert, das in der Stadt Maßstäbe setzte. Architekt, Stuckateure und gusseiserne Bauelemente wurden aus Berlin importiert.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Lübbecke und Berlin besteht zwischen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Kurfürstendamm und der Fassade des Kaufhauses Deerberg, deren Werkstoff sonst nur in Badezimmern zu finden ist. Einzelheiten dazu erfährt man beim Rundgang, wenn man diese Fassade von der gegenüberliegenden, ehemals schärfsten Ecke Lübbeckes, dem Stammhaus der seit 250 Jahren in Lübbecke ansässigen Schlosserfamilie Deerberg betrachtet. Der Eckbalken dieses Gebäudes hat manchen Schaden durch abbiegenden Verkehr erleiden müssen.
Nicht weit von hier betrieb Familie Barre eine Tabakfabrik und brannte Korn. Die Reste der Brennerei sind im Hinterhof noch zu sehen. Erst als ein Sohn der Familie in München das Bierbrauen erlernte und vor gut 160 Jahren in Lübbecke die erste Pilsbrauerei weit und breit errichtete, stieg man auf die Produktion geringerprozentiger Getränke um. Dabei spielt das Wasser des Flüsschens Ronceva, des »klaren Baches«, dem Lübbecke seinen Namen verdankt, noch immer die entscheidende Rolle.
Die Geschichte der Altstadt und Geschichten über ihre Häuser und Bewohner sind das Thema des ersten Altstadtspaziergangs am kommenden Samstag, 21. Mai. Treffpunkt ist die Gänseliesel am Parkplatz Gänsemarkt um 14 Uhr. Der Weg geht vom Ostertor mit einem Abstecher auf den Marktplatz zum Westertor und endet nach zwei Stunden wieder beim Gänseliesel. Eine thematische Fortsetzung gibt es bei einer weiteren Stadtführung am 17. September, die dann dem Verlauf der alten Stadtmauer folgt.
Anmeldungen für diese und weitere Führungen werden beim Servicebüro der Stadtverwaltung (Telefon 0 57 41  - 27 61 11 entgegen genommen. Die Teilnehmerzahl ist auf 25 bis 30 Personen begrenzt. Diese Veranstaltungen werden in regelmäßigen Abständen wiederholt. Privatführungen sind zu Familienfeiern, Klassentreffen oder anderen Anlässen möglich. Zeitpunkt, Umfang und Inhalte können mit dem Stadtmarketingverein abgesprochen werden.

Artikel vom 19.05.2005