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Von Nischen und Bestsellern

Treffpunkt Buchladen: Kein Ort zum Feilschen - Internet ist starke Konkurrenz

Von Manfred Köhler
Verl (WB). Geht's etwas billiger? Nicht unbedingt eine Frage, die beim Einzelhändler auf Freude stößt. Dennoch: Feilschen ist erlaubt. Aber nicht überall. Wer in einen Buchladen geht, bekommt auf die Frage nach einem Nachlass als klare Antwort: Nein!

»Auch wenn ich wollte, ich darf gar nicht«, erklärt Buchhändlerin Marion Bökenhans. Grund ist die so genannte Buchpreisbindung. Per Gesetz sind die Verlage gezwungen, einen festen Preis für ihr Buch vorzugeben. Der Händler darf davon nicht abweichen. So kostet ein Buch überall dasselbe: Ob im großen Buchkaufhaus, im Internet oder im kleinen Buchladen um die Ecke. »Und das ist gut so«, meint Marion Bökenhans. Ohne Preisbindung wären nicht nur kleine Verlage bedroht, sondern würde die Buchlandschaft auch ärmer. »Dann würde nur noch verkauft, was gut geht«, meint die Verler Buchhändlerin. Bücher mit kleiner Auflage hätten keine Chance. Und was den Preis betreffe: »Wer sagt denn, dass Bücher billiger werden müssen, wenn die Preisbindung wegfällt?«, gibt sie zu bedenken. Das wirtschaftliche Problem wäre aber nur eine Seite der Folgen, meint sie. »Es würde auch gegen die geistige Freiheit gehen.«
Sie hofft, dass die Preisbindung auch auf dem europäischem Markt gesichert wird und denkt dabei an Österreich und die Schweiz, wo die Diskussion um die Preisfreiheit immer wieder aufflammt, sich aber nicht durchsetzt. Europaweit scheint sich eher eine Preisbindung anzubahnen, wie auch Dr. Christian Sprang vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels festgestellt: »Die Preisbindung ist auf dem Vormarsch.«
Aber auch so ist für Nischen schon wenig Platz - auch bei »Pegasus«: Das Massenbuch ist ein bestimmender Marktfaktor. »Auch das Leseverhalten der Verler wird sehr durch Bestseller und ihre Präsenz in den Medien bestimmt«, berichtet Marion Bökenhans. Den kleinen Kampf gegen diesen Trend haben sie und ihr Team irgendwann aufgegeben. »Ohne Bestsellertisch geht's nicht.«
Aber dennoch verteidigt Marion Bökenhans hartnäckig die Vielfalt und ihre kleinen Nischen - mit Erfolg. Das schöne Buch, das Geschenkbuch, ist ein heimlicher Renner neben den Bestsellern geworden. Überhaupt, so hat sie festgestellt, gönnen die Kunden in der Ölbachgemeinde sich oder anderen gern etwas Besonderes. Dazu gehört das schöne Buch, aber auch das außergewöhnliche, wie etwa ein Reiseführer über ein Land, das es gar nicht gibt.
Diesem Bedürfnis der Kunden kann das Taschenbuch nicht gerecht werden: »Das geht bei uns gar nicht so gut«, sagt Marion Bökenhans. Doch auch, was nicht weg geht wie warme Semmeln, gehört in einen Buchladen, meint die Buchhändlerin. Und das sei dank der Buchpreisbindung auch möglich. »Nur so können wir eine Vollbuchhandlung sein und verschiedene Wünsche bedienen.«
Ein ganz besonderes Bedürfnis hat nicht direkt etwas mit dem Buchangebot zu tun, sondern mit dem Buchladen als Treffpunkt. »Viele Menschen kommen gerne, lassen sich beraten, teilen sich uns mit oder treffen Bekannte, mit denen sie sich unterhalten«, sagt Marion Bökenhans. Und während sie das erzählt, treffen sich zwei alte Bekannte vor der Ladentheke, umarmen sich herzlich und verabreden sich zum Kaffee. »Das meine ich«, schmunzelt die Buchhändlerin. »Das ist im Internet nicht möglich«, betont sie und berührt ein Thema, das ihr und Berufskollegen im Magen liegt. »Heute wird sehr viel übers Internet bestellt. Vor allem von jungen Leuten. Das ist natürlich schon eine starke Konkurrenz für uns. Aber ich glaube, dass sich dieser Trend auch wieder umkehren wird«, meint sie. Dieses Kaufverhalten beinhalte auch »ein Stück Vereinsamung«. Marion Bökenhans: »Es fehlen einfach die Menschen.«
Doch auch wenn die jugendlichen Kunden eher dünn gesät sind, mangelt es nicht an ganz jungen Lesern: »Familien mit Kindern kommen gerne.« Und die Verler Grundschüler haben sogar einen ganz besonders verbindenden Wert des Buches entdeckt: Statt Süßigkeiten schenken sie ihrer Klasse zu ihrem Geburtstag ein Buch. Und genießen dabei einen netten Service beim »kleinen Buchhändler um die Ecke«. Marion Bökenhans: »Wir führen hier eine Liste über den Bestand in allen Klassen, damit kein Buch doppelt gekauft wird.«

Artikel vom 17.05.2005