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Kükenschar auf dem Balkon geschlüpft

Gertrud Lotte hatte Enten-Besuch

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Jetzt hat sie es gleich geschafft, und all die Aufregung hat sich gelohnt: Zügig watschelt die Entendame mit ihren Küken, 13 an der Zahl, in Richtung Teich. Sie lässt sich ins Wasser gleiten, dreht sich schnatternd um und wartet, bis der Nachwuchs es ihr gleichgetan hat. Und als hätten die flauschigen kleinen »Enten-Bällchen« nie etwas anderes gemacht, schwimmen sie der Mama folgend in Richtung Schilf.

Gertrud Lotte freut sich an dem Bild. Denn Clarissa, wie sie die Ente genannt hat, ist so etwas wie ihr Schützling. Bereits zum dritten Mal hat die Ente auf dem Balkon der 62-jährigen Rentnerin ihren Nachwuchs ausgebrütet. Und für Gertrud Lotte ist wichtig, Clarissa mit ihren Küken sofort wieder wohlbehalten in die freie Natur zu bringen. Denn von alleine können sie noch nicht über die Balkonmauer gelangen und würden verhungern.
Am 22. März war es diesmal soweit, erinnert sich Gertrud Lotte genau. Ihre Clarissa flog auf den beinahe parterre gelegenen Balkon in der Schumannstraße, krabbelte unter den Buchsbaum in der hintersten Ecke und legte ihre Eier. Ihr männlicher Begleiter schaute nur immer einmal wieder vorbei, während Clarissa fleißig brütete. Nach fünf, sechs Wochen hörte Gertrud Lotte das erste leise Fiepen unter dem Buchsbaum. »Ich habe erst zwei Küken bemerkt, und dachte mir, dass es wohl noch etwas dauern wird, bis alle geschlüpft sind«, berichtet sie. An jenem Morgen musste sie zu einem wichtigen Arzttermin.
Doch als sie wiederkam, erwarteten sie bereits alle 13 geschlüpften Küken. Und weil Mutter Clarissa zwischenzeitlich auf Nahrungssuche verschwunden war - so sicher weiß sie ihre Brut auf dem Balkon -, veranstalteten die Küken auch ein gehöriges »Konzert«. Jetzt hieß es für Gertrud Lotte schnell zu handeln. »Enten sind Nestflüchter, die sofort ins Wasser können und sich ihre Nahrung selbst suchen«, weiß sie. Routiniert packte sie Mutter und Kinder in einen Korb und brachte sie zum Schlüttgarten.
Dass die Entenfamilie dort hinter dem Spielplatz ein artgerechtes, möglichst ruhiges Zuhause findet, ist der 62-jährigen Rentnerin wichtig. Schließlich hat sie im vorigen Jahr - als Clarissa den Balkon in der Schumannstraße für sich und ihre Brut entdeckte - miterlebt, dass von den vielen Küken schnell der überwiegende Teil »verloren geht«. Und deshalb verlässt sie den Grünstreifen auch erst, als die ersten Revierstreitigkeiten mit drei jungen Stockenten-Erpeln ausgestanden sind. »Clarissa, Clarissa«, ruft sie immer wieder unterstützend in Richtung der Ente, die sich durchaus gegen die zudringlichen »Kerle« zu wehren weiß.
Auch Jutta Goldbecker vom Tierschutzverein Bielefeld ist sich sicher: »Auf dem Balkon hat die Ente einen idealen Platz zum Brüten gefunden. Sie wird bestimmt wiederkommen.« Der Tierschutzverein war von Schumannstraßen-Nachbarn angerufen worden, die sich um die fiependen Küken gesorgt hatten. Doch Jutta Goldbecker konnte sich selbst überzeugen: Die Enten sind bestens wieder in ihrem natürlichen Lebensraum angekommen.

Artikel vom 14.05.2005