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Algerische Frauenrechtlerin im Kloster

»Wege durch das Land«: Begegnung mit Assia Djerbar und Nina Hoger in Dalheim

Von Rainer Maler
(Text und Foto)
Dalheim (WV). Um starke Frauen in der Weltliteratur ging es am Wochenende im ehemaligen Nonnenkloster Dalheim: Das Literaturbüro Detmold mit seiner renommierten Reihe »Wege durch das Land« hatte unter anderem die algerische Schriftstellerin Assia Djerbar eingeladen.

Es ist schon bewundernswert, wen »Wege durch das Land« Jahr für Jahr auf die literarische und musikalische Reise durch Westfalen schickt; Musiker aus aller Welt und renommierte Autoren, darunter auch Nobelpreisträger, gibt es quasi zum Anfassen.
In Dalheim schienen die Eisheiligen noch im Schafstall Halt zu machen, in dem die Lesung stattfand. Die 1936 geborene algerische Schriftstellerin Assia Djerbar, auch Historikerin und Filmemacherin, gab Kostproben aus ihrem Roman »Frau ohne Begräbnis«; die deutsche Fassung wurde gelesen von der Theaterschauspielerin Barbara Nüsse. In ihrem Roman verleiht die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels dem Kampf der Frauen um ihre Rechte und der Erinnerung an den algerischen Befreiungskrieg gegen die Kolonialmacht eine Stimme.
Sie zeichnet mit sensibler, poetischer Sprache das Leben von Zoulikha nach, die einst im Nachbarhaus von Djerbars Familie bis zu ihrem mysteriösen Verschwinden lebte. Die Autorin will die Spuren von Frauen in ihrem Kampf um Gleichberechtigung aufzeichnen, der Erinnerung ein Gesicht verleihen. Um viele Frauen, die in dem von islamischem Terror erschüttertem Algerien hinter Mauern verborgen leben müssen, zu erreichen, hat sie Filme gedreht. Ihr Werk ist geprägt von der Hoffnung, den Frauen in der arabischen Welt zu mehr Selbstbestimmung und kultureller Identität durch die aufklärende Wirkung der Literatur zu verhelfen.
Eine weitere große Frau der Poesie war die russische Dichterin Anna Achmatowa (1889-1966), die in Zeiten des stalinistischen Terrors mit der magischen Kraft ihrer Verse nicht nur selbst überlebte, sondern dem geschundenen Volk eine Stimme verlieh und so zur großen »Dame« der russischen Dichtung im 20.Jahrhundert wurde. Die unter anderem mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnete Nina Hoger las mit dem herben Charme ihrer ruhigen und doch so einfühlsamen Stimme diese Liebesgedichte, die einer verdienten Wiederentdeckung harren und die Zuhörer die Kälte im zugigen Schafstall vergessen ließ. Mit ihrer Poesie kämpfte »die Achmatowa« für Freiheit und Liebe, geschrieben in einer leicht zugänglichen Sprache ohne Pathos und wurde so zu einem weiteren Beispiel in der Geschichte dafür, wie sehr Diktatoren die Kraft der Literatur fürchten. Zwischen den Gedichten spielte Tara Bouman Klarinette.
Gewärmt von einer Kartoffelsuppe kam nach der Pause ein Wechsel in die Klosterkirche, wo das Vokalensemble »La Venexiana« in die Renaissance entführte. Fünf Stimmen und eine Laute, so lautet das Erfolgsrezept der Italiener. Auch ohne Textverständnis entwickelte die harmonische Mischung aus Textdeklamation, kraftvoller Intonation und zartem Timbre der Stimmen ein mediterranes Ambiente, das die Zuhörer in die Zeit der Liebeleien und der Komödien des frühen 16.Jahrhunderts entführte.

Artikel vom 18.05.2005